Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halo

Halo

Titel: Halo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
Vom Netzwerk:
kurze Hose war zu kurz, und das Top rutschte so leicht hoch, dass ich mich kaum bewegen konnte, ohne dass meine Taille zu sehen war. Das würde ein Problem beim Ballspielen werden, denn wir Engel hatten keinen Nabel – nur glatte weiße Haut, ohne Flecken und Dellen. Zum Glück falteten sich meine Flügel (Federn, aber dünn wie Papier) flach auf dem Rücken zusammen, sodass ich mir keine Sorgen darüber zu machen brauchte, dass man sie sehen könnte – aber sie begannen zu verkrampfen, weil sie nicht benutzt wurden. Ich konnte den Flug vor Sonnenaufgang in den Bergen gar nicht mehr erwarten, den Gabriel uns bald versprochen hatte.
    Ich zog das Top so weit herunter, wie ich konnte, und gesellte mich zu Molly, die vor dem Spiegel stand und eine gleichmäßige Schicht Lipgloss auftrug. Ich war mir nicht sicher, warum sie im Sportunterricht Lipgloss brauchte, aber als sie mir den Pinsel reichte, nahm ich ihn, da ich nicht undankbar wirken wollte. Ich wusste nicht genau, wie man den Pinsel verwendete, schaffte es aber, eine weitgehend gleichmäßige Schicht aufzutragen. Ich schätzte, dass man dafür etwas Übung brauchte. Anders als die anderen Mädchen hatte ich nicht seit meinem fünften Geburtstag mit den Schminkutensilien meiner Mutter herumexperimentiert. Bis vor kurzem wusste ich nicht einmal, wie mein menschliches Gesicht aussah.
    «Reib deine Lippen aneinander», sagte Molly. «So …»
    Ich ahmte sie nach und erkannte, dass die Bewegung das Gloss glättete. Ich sah plötzlich weniger wie ein Clown aus.
    «So ist es besser», sagte sie beifällig.
    «Danke.»
    «Ich schätze, du trägst nicht oft Make-up.»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Na ja, nicht dass du es nötig hättest. Die Farbe steht dir allerdings.»
    «Sie riecht toll.»
    «Sie heißt Melonensorbet.» Molly schien zufrieden mit sich zu sein. Dann aber wurde sie plötzlich von irgendetwas abgelenkt und begann zu schnüffeln.
    «Riechst du das?», fragte sie.
    Ich schnupperte, wobei mich eine unbestimmte Panik überkam. War ich das? Rochen wir für die Menschen auf der Erde vielleicht unangenehm? Hatte Ivy meine Klamotten mit einem Parfum eingesprüht, das in Mollys Welt gesellschaftlich unakzeptabel war?
    «Es riecht nach … nach Regen oder so», sagte sie. Ich entspannte mich sofort. Was sie riechen konnte, war nur der charakteristische Geruch, der allen Engeln anhaftete, und mit Regen hatte sie ihn sehr gut beschrieben.
    «Spinn doch nicht herum, Molly», sagte eine ihrer Freundinnen. Ich glaube, ihr Name war Taylah, wenn ich mir die kurze Vorstellung von vorhin ins Gedächtnis rief. «Hier drinnen regnet es nicht.»
    Molly zuckte die Schultern und zog mich am Arm. Sie führte mich aus der Umkleidekabine in die Turnhalle, wo eine blonde Mittfünfzigerin mit sonnengegerbtem Gesicht und Radlerhosen auf dem Ballen wippte und uns zurief, dass wir zwanzig Liegestütze machen sollten.
    «Hasst du Sportlehrer auch so?», fragte Molly und rollte die Augen. «Sie sind immer so … aufgedreht.»
    Ich antwortete nicht, aber angesichts des unbeugsamen Blicks der Frau und meiner mangelnden sportlichen Begeisterung würden wir sicher nicht besonders gut miteinander zurechtkommen.
    Eine halbe Stunde später waren wir zehn Runden gelaufen und hatten je fünfzig Liegestütze, Sit-ups, Kniebeugen und Dehnungen gemacht, und das war nur die Aufwärmphase. Mir taten die anderen Schüler leid, die mit bebender Brust herumtorkelten und deren Oberteile schweißdurchtränkt waren. Engel ermüdeten nicht – wir hatten unendliche Energie und brauchten sie uns daher auch nicht einzuteilen. Wir schwitzten auch nicht, wir konnten Marathon laufen, ohne einen einzigen Tropfen Schweiß zu verlieren. Was Molly plötzlich bemerkte.
    «Du keuchst nicht einmal», sagte sie vorwurfsvoll. «Mein Gott, musst du fit sein.»
    «Oder ein wirklich gutes Deo verwenden», ergänzte Taylah und kippte sich den Inhalt ihrer Wasserflasche in den Ausschnitt. Das zog die Aufmerksamkeit einer Gruppe von Jungs in der Nähe auf sie, die sie anstarrten. «Es ist heiß hier drin», spottete sie und stolzierte mit ihrem jetzt durchsichtigen Shirt an den Jungen vorbei, bis die Sportlehrerin das Spektakel bemerkte und wie ein wilder Stier auf uns losging.
    Der Rest des Tages verlief ereignislos, abgesehen davon, dass ich mich selbst dabei ertappte, wie ich in der Hoffnung, einen Blick auf den Schulsprecher zu erhaschen, durch die Gänge der Schule streifte. Nach dem, was ich von Molly über ihn gehört

Weitere Kostenlose Bücher