Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
Lunge und eine Niere sollte der Staat ihm schon nehmen.«
»Ich werde das weitergeben.« Zeigte sich da der Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht? »Ich vermute, der Vorschlag wird sehr wohlwollend aufgenommen werden, glaube aber kaum, dass man danach handeln wird.«
»Er redet also?«, fragte Pete.
»Wie ein Teenager mit Handy.«
Ich wusste bereits Bescheid. Gullet hatte mich nach Marshalls Geständnis vor dem Staatsanwalt am Samstagvormittag angerufen. Ich empfand die gewohnte Mischung aus Trauer und Wut, als ich mir das Gemetzel vor Augen führte.
Marshalls erstes Opfer war eine Prostituierte namens Cookie Godine, die er im Sommer 2001 ermordet hatte. Willie Helms tötete er im September. Beide Leichen wurden auf Dewees Island verscharrt. Ohne Nieren und Leber.
Marshall kannte Corey Daniels’ Vorgeschichte und stellte ihn zum Teil auch deswegen kurz vor dem ersten Mord ein. Von Anfang an hatte Marshall geplant, Spuren zu legen, die den Verdacht auf Daniels lenkten, nur für den Fall, dass die Ambulanz je mit diesen Verbrechen in Verbindung gebracht würde. Aber Gräber ausheben war eine anstrengende körperliche Arbeit und nicht nach des Doktors Geschmack. Als sowohl Godines als auch Helms’ Verschwinden unbemerkt blieb, wurde Marshall kühner und wechselte vom Verscharren in flachen Gräbern zur Seebestattung.
Rosemarie Moon und Ethridge Parker wurden 2002 getötet, Ruby Anne Watley 2003, Daniel Snype und Lonnie Aikman 2004. Die letzten Opfer waren Unique Montague und Jimmie Ray Teal. Wenn nicht noch einmal so etwas passierte wie dieser Sturm, der Montagues Fass in die Bucht der Moultrie-Brüder spülte, war es höchst unwahrscheinlich, dass die Überreste der anderen Opfer je gefunden wurden.
Auch wenn es mir keine Befriedigung verschaffte, so hatte ich doch Recht gehabt, was Helene Flynn und Noble Cruikshank betraf. Flynn fing 2003 in der Ambulanz zu arbeiten an. Ausgelöst wurde ihr Misstrauen gegenüber Marshall von finanziellen Verdachtsmomenten. Da Helene nicht verstehen konnte, warum die GMC die Ambulanz mit derart geringen Mittel ausstattete, wurde sie sehr wütend, als sie die so offensichtliche Diskrepanz zwischen den Zuständen an der Nassau Street und Marshalls persönlichem Lebensstil sah. Um ihren Verdacht zu bestätigen, fing sie an, im Privatleben des Arztes herumzuschnüffeln. Obwohl sie es nie schaffte, irgendwelche Beweise für finanzielle Unregelmäßigkeiten zu finden, beschwerte sie sich bei ihrem Vater und bei Herron.
Marshall fand heraus, dass Helene ihn beobachtete. Da er befürchtete, dass sie irgendwann einmal über die Wahrheit stolpern könnte, erdrosselte er sie, warf ihre Leiche ins Meer, schickte den Schlüssel und die ausstehende Miete an die Vermieterin und konstruierte die Geschichte mit Kalifornien. Ironischerweise fand Helene über die Morde und Marshalls Organhandel nie etwas heraus.
Cruikshank musste ebenfalls beseitigt werden, aber er war Privatdetektiv, ein ehemaliger Polizist, und sein Kunde war Buck Flynn. Er könnte also durchaus vermisst werden, und deshalb war ein raffinierterer Plan nötig. Nachdem sich Marshall über Cruikshanks Vergangenheit informiert hatte, entschied er sich für Selbstmord, doch die Durchführung dieses Plans musste sorgfältig vorbereitet werden.
»Ich bin neugierig«, sagte ich. »Cruikshank war zwar kein Riesenkerl, aber er war drahtig und ein Raufbold. Wie schaffte Marshall es, ihn zu überwältigen?«
»Marshall fand Cruikshanks Adresse im Magnolia Manor heraus und fing an, ihn zu beschatten, wenn er abends ausging. Er entdeckte, dass Cruikshank gern trank und dass das Little Luna’s eins seiner Stammlokale war.
Eines Abends war Marshall dort und sah, dass Cruikshank sehr betrunken war. Er ging zu einer Telefonzelle vor der Tür und wählte die Nummer der Bar. Als der Barkeeper abnahm, beschrieb Marshall Cruikshanks Äußeres und fragte, ob er da sei.
Der Barkeeper holte Cruikshank ans Telefon. Marshall stellte sich als Daniels vor und sagte, er habe wichtige Informationen über Helene Flynn und die Klinik. Er erklärte sich bereit, Cruikshank im Magnolia Manor zu treffen.«
»Und dann hatte es Cruikshank so eilig, zum vereinbarten Treffpunkt zu kommen, dass er auf dem Weg nach draußen zur falschen Jacke griff.«
»Genau. Da er die Autoschlüssel in der Hosentasche hatte, fiel ihm die Verwechslung überhaupt nicht auf. Cruikshank fuhr solche Schlangenlinien, dass Marshall schon befürchtete, die Polizei würde ihn
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