Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
den Kopf. »Cruikshank war ein Einzelkind, und die Eltern sind tot. Gegen Ende seiner Zeit bei der Polizei in Charlotte wurde er zu einem ziemlichen Einzelgänger und hatte zu keinem Menschen mehr engeren Kontakt.«
Ich wandte mich wieder der GMC zu.
»Wenn du zu Herron nicht durchkommst, was hast du dann als Nächstes vor?«
Pete deutete mit dem Zeigefinger nach oben. »Fürchtet Euch nicht, edle Dame. Der lettische Weise hat eben die Rennbahn betreten.«
Pete war noch Jurastudent, als wir uns kennen lernten. Damals hatte er diesen Spitznamen bereits. Ich habe nie erfahren, wer ihn sich ausgedacht hatte. Ich vermute allerdings, Pete selbst.
Ich verdrehte die Augen, kehrte wieder zu den Einkäufen zurück und legte eine Packung Feta in den Kühlschrank.
Pete kippte seinen Stuhl nach hinten und stützte die Absätze auf die Tischkante.
Ich wollte schon etwas sagen, doch auch das war nicht mehr mein Problem. Annes? Immerhin hatte sie ihn eingeladen.
»Und wie war dein Tag, Zuckerschnäuzchen?«
Ich holte die Post and Courier , warf sie auf den Tisch und deutete auf den Artikel.
Pete las Winbornes Geschreibsel.
»He, nette Alliteration. Bestürzende Bestattung Barrier Beach.«
»Die reinste Poesie.«
»Ich nehme an, du bist nicht gerade erfreut, dass dieser Junge mit der Presse gesprochen hat.«
»Ich finde die ganze Geschichte mehr als unerfreulich.«
Über meinen Studenten hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Wann hatte sich Winborne Topher vorgeknöpft? Wie hatte er ihn zum Reden gebracht?
»Das Foto ist nicht schlecht.«
Ich warf Pete einen Blick zu.
»Was ist das für eine Geschichte mit dem Kreuzfahrtschiff, die deine Freundin angeblich verbockt hat?«
»Keine Ahnung.«
»Wirst du sie danach fragen?«
»Auf gar keinen Fall.«
Eingelegte Paprikaschoten, Lachspastete und Ben-and-Jerry’s-Eiscreme in Kühlschrank und Tiefkühltruhe. Schokoladenkekse und Pistazien in den Schrank. Ich wandte mich wieder Pete zu.
»Ein Mann ist tot. Seine Familie weiß es noch nicht. Ich betrachte Winbornes Artikel als eine Verletzung der Privatsphäre dieser Familie. Liege ich da völlig daneben?«
Pete zuckte die Achseln und trank sein Bier aus.
»Nachrichten sind Nachrichten. Weißt du, was du brauchst?«
»Was?« Argwöhnisch.
»Ein Sandwich.«
»Ich hatte erst um drei ein Sandwich.«
Pete kippte den Stuhl wieder in die Senkrechte, stand auf, drehte mich an den Schultern um und schob mich sanft aus der Küche.
»Benote Prüfungsarbeiten oder sonst was. Und sei um acht am Pavillon.«
»Ich weiß nicht, Pete.«
Ich wusste es ziemlich genau. Und jede Zelle in meinem Hinterkopf schwenkte Warnflaggen.
Pete und ich waren zwanzig Jahre lang verheiratet gewesen und erst seit wenigen Jahren getrennt. Obwohl es in unserer Ehe viele Probleme gegeben hatte, war sexuelle Anziehungskraft nie eins davon gewesen. Wir hatten es krachen lassen, als wir frisch verheiratet waren. Wir könnten es immer noch krachen lassen.
Wenn Pete nicht fremdgegangen wäre.
Die Haltung meiner Libido zu Pete bereitete mir Kopfzerbrechen. Mit Ryan lief alles bestens. Ich wollte nichts tun, was das beeinträchtigen könnte. Als ich das letzte Mal mit Pete einen gemeinsamen Abend verbracht hatte, war der ausgegangen wie bei zwei Jugendlichen auf dem Rücksitz eines Chevys.
»Aber ich weiß es«, sagte Pete. »Geh.«
»Pete –«
»Du musst was essen. Ich muss was essen. Wir tun’s zusammen und mischen ein bisschen Sand dazwischen.«
Tief in meiner Psyche ist irgendetwas, das Essen mit menschlicher Interaktion verbindet. Wenn ich allein zu Hause bin, lebe ich von Gerichten zum Mitnehmen und Tiefkühlkost. Wenn ich unterwegs bin, bestelle ich beim Zimmerservice und esse mit Letterman, Raymond oder Oprah.
Gesellschaft klang wirklich nett. Und Pete war ein guter Koch.
»Das wird aber kein Rendezvous, Pete.«
»Natürlich nicht.«
7
Ich schaffte noch drei weitere Arbeiten, bevor ich eindöste. Ich lag seitlich auf meinem Bett, dämmerte in diesem Zwischenstadium zwischen Wachsein und Schlafen und träumte bedeutungslose Fetzen. Über einen Strand laufen. Mit Emma Knochen sortieren.
In einem dieser Bruchstücke saß ich in einem Kreis bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Ryan war dabei. Pete war dabei. Und ein großer, blonder Mann. Die drei unterhielten sich, aber ich verstand nichts. Ihre Gesichter lagen im Schatten, so dass ich auch ihre Mienen nicht interpretieren konnte.
Als ich wieder aufwachte, war das Zimmer ganz
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