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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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und du hast Sonne gekriegt.«, murmelte er vor sich
hin. »Und ich kann die restlichen Urlaubstage so verbringen wie ich will.
Vielleicht geht diese dralle Rothaarige ja mit mir hinaus in die Türkei.«
    Kai-Uwe
Volkmann stürzte sein Bier hinunter und rutschte vom Tresen. Er wusste, dass er
keine Zeit verlieren durfte, da ihn beim geringsten Zögern oder Innehalten der
plötzlich aufgeflammte Mut so schnell verlassen würde wie er gekommen war.

Kapitel 1 1
- Knastbrüder in Tombstone -
    Herbert
Schmalfuß beugte sich nach vorne und inspizierte mit zusammengekniffenen Augen seine
fleischfarbenen Falke-Socken. Ein unansehnlicher dunkelgrauer Fleck, der ölig
glänzte, verunzierte seinen rechten großen Zeh. Vorsichtig tastete er danach.
Er war leicht geschwollen und drückte gegen den Lederriemen seiner braunen
Sandale. Letzten Herbst, dachte Schmalfuß wehmütig, hatte er diese wunderbar
bequemen und formschönen Schuhe zu einem lächerlich geringen Preis im
Ausverkauf im Alsterhaus erstanden; selig war er danach durch den Nieselregen
den langen weiten Weg an der Außenalster entlang bis nach Winterhude gelaufen
und hatte sich dabei vorgestellt, wie er in wenigen Wochen die frisch
gefetteten Schuhe aus dem Seitenfach des Koffers nehmen und auf den Balkon
seines Feriendomizils in Dereköy stellen würde, damit das Leder von der Seeluft
weich und geschmeidig wurde. Er war froh, dass seine Mutter ihm die
Hinterhofwohnung am Mühlenkamp hinterlassen hatte. Zwar gab es immer wieder
Ärger mit Schimmel und mit Ratten, die durch die Kanalisation kletterten und
den Bewohnern unliebsamen Besuch abstatteten, aber Schmalfuß wusste, dass er
auf einer Goldgrube saß. Das Viertel war mit der Macht eines Tsunami in den
letzten Jahren schick und teuer geworden, manches Mal wurde Schmalfuß ganz
schummerig im Kopf, wenn er sich auf dem Weg zum Bäcker fragte, wann genau
diese Invasion blonder, langhaariger Klonfrauen in Designerjeans und kniehohen
Stiefeln stattgefunden hatte, die ihn schubsten und drängelten als hätte er
ihren Privatgehweg widerrechtlich betreten. Wann genau, wollte Schmalfuß wissen
und kniff die Augen zusammen angesichts der Unmassen grellen Blondhaars um ihn
herum, hatte der Herrscher der Unterwelt all diesen unglücklichen Klonkreaturen
befohlen, ihre seidenschaltragenden Gatten und bleichen unglücklichen Kindern
in panzerartige SUVs zu packen und Kurs zu nehmen auf seine einstmals lebhafte,
fröhliche, von kleinen Geschäften gesäumte Straße? Jedes Mal, wenn er aus
Dereköy wiederkam, schien ihm die Gegend noch verkommener als vorher, jede neue
Galerie, jedes »coffee to go«-Schild versetzte ihm einen Stich und ließ ihn
seufzen, sobald er die Koffer im Flur abgestellt hatte und das gerahmte
Jugendfoto seiner Mutter, das neben dem Garderobenspiegel hing, zerknirscht
betrachtete: Ach Muddi, gut, dass du das nicht mehr erleben musst, all
diesen Verfall, diese grässliche Abwärtsspirale deines Heimatviertels!
Irgendwann sieht’s hier aus wie in Blankenese oder Eppendorf und dann kann ich
beim besten Willen nicht mehr hierbleiben, das verstehst du doch sicher, Muddi?
    Eines
Tages würde er seinen Goldschatz verkaufen und ganz in die Türkei übersiedeln,
aber noch war er nicht soweit, sein Hamburg gänzlich aufzugeben, noch brauchte
er Zeit. Vielleicht, dachte er, wenn die SUVs noch ein bisschen größer werden
und anfangen in dritter Reihe zu parken und die kleine Bäckerei an der Ecke
zumacht, vielleicht bin ich dann bereit.
    Schmalfuß
wackelte vorsichtig mit dem großen Zeh und verzog das Gesicht. Ob dieser
unangenehme Kommissar mit dem Seehundbart absichtlich mit dem Stiefel auf
seinen Fuß getrampelt war? Wusste er nicht, dass er einen Kollegen vor sich
hatte? Ein unsympathischer Zeitgenosse und nicht gerade eine Zierde seines
Berufsstandes, soviel war klar. Schmalfuß rubbelte an dem öligen Fleck und
betrachtete seine Finger. Blut! Der Kerl hatte seinen Zeh blutig gestampft!
    Das
würde Folgen haben, das konnte er nicht auf sich sitzen lassen.
    Und
die Flecken würde er nie mehr aus dem beigefarbenen feinen Baumwollstoff
herauskriegen, die waren ebenfalls ruiniert. Schmalfuß runzelte die Stirn und
ließ seinen Blick durch die fensterlose Zelle gleiten, die von einer schwachen
Glühbirne, die in einer Art Käfig unter der Decke hing, erhellt wurde.
    »Wie
in einem vermaledeiten Western.«, murmelte er und ruckelte an den Eisenketten,
mit der seine Pritsche an der Wand befestigt war. Ihm gegenüber

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