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Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
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war eine
weitere Pritsche ausgeklappt, auf der ein schwergewichtiger Mann auf der Seite
lag, eine dunkle Hornbrille schräg über seinem maulbeerfarbenen Gesicht. Aus
seinem weit geöffneten Mund zogen sich mehrere Speichelfäden bis zum
Betonboden. Er schnarchte den gerechten Schlaf des Volltrunkenen und kratzte
sich ab und an wie wild die verschwitzte Brust, als träumte er, dass sein
Brusthaar von einer Invasion krabbelnder Insekten befallen würde.
    Schmalfuß
seufzte und zog einen hellen Fussel von der Bügelfalte seiner khakifarbenen
Bermudas. Er war jetzt mehr als zwölf Stunden hier, mussten die ihm nicht
langsam einen Anruf gestatten? Oder ihn über seine Rechte aufklären? Einen
Dolmetscher holen?
    Was
war mit Bülbül? Warum kam er nicht? Hatte er nicht von seiner misslichen Lage
erfahren?
    Aber,
beruhigte sich Schmalfuß angesichts dieses unangenehmen Gedankens, das war
nicht möglich, nicht hier in Dereköy, wo sich jede Neuigkeit mit der
Geschwindigkeit eines karibischen Hurrikans verbreitete.
    Umso
merkwürdiger, dass er immer noch hier war.
    Aber
wenn die Zelle schon aussah wie in einem alten Western, so war es vielleicht
auch so, dass der komiser wie ein Sheriff in Tombstone Recht und Gesetz
auf seine Weise auslegte und durchsetzte.
    »Mannomann,
wo bin ich denn hier gelandet? Boah, mein Schädel, mein armer Schädel! Wasser!
Oder noch besser eine Scheiß Bloody Mary!«
    Die
Nachbarpritsche ächzte, der Zellengenosse schnaubte und sein gewaltiger Körper
erzitterte wie Wackelpudding. Schmalfuß beobachtete ungerührt, wie der Arm des
dicken Mannes über seinem Kopf ruderte und die Brille zu Boden fegte, bis seine
Finger die Eisenkette entdeckten und er sich mit aller Macht daran festhielt
und langsam hochhievte.
    Aha,
dachte Schmalfuß, ein deutscher Tourist. Wenn der hier nur seinen Rausch
ausschlief, dann musste der komiser ja bald erscheinen, um ihn auf
freien Fuß zu setzen. Das wäre seine Chance.
    »Wasser!«,
krächzte der Zellengenosse erneut, wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht
und zog zweimal kräftig die Nase hoch. Dann tastete er nach seiner Brille.
Während sein Oberkörper langsam hin und herschwankte, versuchte er Schmalfuß zu
fixieren. Der deutete mit dem Kopf auf ein Waschbecken, das in einer Ecke
direkt neben einer gesprungenen Toilettenschüssel eingelassen war.
    »O.k.,
dann muss das noch warten, kann mich noch nicht bewegen. Sie haben nicht
zufällig einen Becher oder ein Gefäß dabei, mit dem Sie mir freundlicherweise
aushelfen könnten?«
    Schmalfuß
bemerkte wohlwollend, dass der Mann trotz diverser Rülpser, die seine Rede
unterbrachen, gewählt sprach und ein zuvorkommendes Wesen zu haben schien. Das
war, fand Schmalfuß, in der gegenwärtigen Situation, die doch so viel
Unwägbarkeiten und eine ungewisse Zukunft barg, durchaus eine angenehme
Überraschung. Das rosa Hemd seines Gegenübers war über dem Gürtel aufgeplatzt
und stand wie ein Zelt über seinem Bauchnabel, der sich beim Reden mitbewegte,
als würde er die Wörter nachsprechen.
    »Liebe
Güte, wo bin ich hier überhaupt? Das kann doch nicht ernsthaft schon wieder
eine Gefängniszelle sein?«, fragte der Bauchnabel hustend, und Schmalfuß hob
nur widerwillig den Blick zum Gesicht des Mannes.
    »Ich
fürchte ja, es ist eine Gefängniszelle.«
    »Wieso
passiert das immer mir, möchte ich wissen? Ein friedliches Abendessen im Kreise
meiner Kollegen und zack, am nächsten Morgen wachst du in einer dunklen Zelle
mit Brummschädel auf. Und wir sind hier nur drei Tage, ich habe keine Zeit zu
verschenken. Jahrestagung, drüben im Dereköy Star, kennen Sie das Hotel? Netter
Schuppen. Jahrestagung des Vereins regionaler Inkassounternehmen, und ich bin
der Vorsitzende! Können Sie sich das vorstellen? Der Herr Vorsitzende ist erst
einen Tag hier und schon in einem türkischen Knast, da werden meine Kollegen
nicht schlecht staunen!«
    Schmalfuß
fand, dass das Lächeln, das über das Gesicht des Mannes glitt, eine Spur zu
selbstgefällig war, ein wenig Scham und Demut hätte ihm besser angestanden.
Unauffällig nahm Schmalfuß sein vorschnelles positives Urteil über den
Zellengenossen für sich zurück. Der erhob sich ächzend, stapfte zum Waschbecken
und zwängte seinen massigen Kopf unter den Hahn. Dann erhob er sich und
schüttelte sich wie ein Hund. Als er sich wieder auf die Pritsche setzte,
glänzte sein Bauchnabel vor Nässe, sprach aber munter weiter.
    »Letzte
Jahrestagung fand in Brüssel statt. Da

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