Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
keinen Blick
von ihrem Smartphone, aber dass drei Tage lang keine sms von ihrem Mann kommt,
wundert sie überhaupt nicht.«
»Ja,
eine goldige Ehe, das dachte ich mir auch. Wir haben später noch Miran verhört
und… « Kadir wandte sich an Schmalfuß und erklärte. »Miran Pasaoglu ist Chef
unserer Barkeeper und hat eine untrügliche Menschenkenntnis. Der blickt durch
jeden hindurch wie durch Glas und was noch besser ist: Er merkt sich jedes
Gesicht. Miran hat mir bestätigt, dass die Volkmanns eines dieser Ehepaare waren,
die noch nicht ganz aufgeben wollen und eine teure Reise buchen, um zu retten
was zu retten ist. Unweigerlich stellen solche Paare spätestens am zweiten
Abend fest, dass sich der Aufwand nicht lohnt, hier alles so ist wie zu Hause,
und vergnügen sich dann so gut es geht alleine oder mit anderen bis man endlich
wieder nach Hause fliegt.«
»Nun,
wenn er Ornat angelegt hat, dann hat er sich jedenfalls nicht alleine vergnügt,
oder? Da muss doch jemand jenseits des Tores auf ihn gewartet haben!«, meinte
Schmalfuß.
»Nicht
unbedingt.«, konterte Seda. »Ich denke, dass die meisten Touristen, die um die
Blöcke ziehen, jeden Abend aufs Neue sehen, was sich so ergibt. Die kommen doch
nicht her, um eine feste Freundin zu finden. Es kann, muss aber nicht zwingend
jemand auf ihn gewartet haben.«
»Dalga
ist mit Frau Volkmann nach Antalya ins gerichtsmedizinische Institut gefahren.
Sie hat ihn identifiziert, und wir haben mittlerweile ein Foto von Volkmann,
das uns seine Schwester geschickt hat. Es dürfte jetzt schon im Internet
verbreitet sein und morgen auch in der Presse erscheinen. Wir hoffen, dass sich
dann einige Zeugen melden, die Volkmann gesehen haben. Und wenn er eine
Verabredung hatte, meldet sich hoffentlich auch die betreffende Frau. Miran sagt,
dass Herr Volkmann ein sehr angenehmer Mensch war, sehr darum bemüht, gemocht
zu werden und an Land und Leuten aufrichtig interessiert. Er war allerdings so
schüchtern, dass er sich nicht traute, Frauen anzusprechen, er habe nur einmal
einen Cocktail mit einer rothaarigen Dame getrunken, die sich ihm mehr oder
weniger an den Hals geschmissen hatte. Er wollte gern draufgängerischer sein,
aber dazu war er nicht der Typ.«
»Dennoch
hat er sich eines Abends in seinem Miami-Vice-Anzug aufgemacht, um sich ins
Nachtleben zu stürzen!«
»Und
endet erstickt in einer Sandgrube, derweil seine Frau seelenruhig weiter Urlaub
macht ohne auch nur den Hauch von Beunruhigung zu spüren.«
»Wie
erklärt die Dame denn diese frappant stoische Gemütslage?«
»Sie
hat sich einfach gedacht, dass ihr Gatte zu dem gleichen Schluss wie sie selbst
gekommen ist: Dass jeder seiner eigenen Wege gehen sollte, ohne groß darüber zu
sprechen. Sie vermutete, dass er mächtig einen über den Durst getrunken hatte
um sich Mut zu machen und nun im Bett irgendeiner Holländerin oder Belgierin läge.«
»Drei
Tage lang?«, fragte Seda und machte eine verächtliche Handbewegung.
»Sie
behauptet, sie hätte sich weiter keine Gedanken gemacht. Schließlich seien sie
beide erwachsen. Offensichtlich war sie froh, das King-Size-Bett in ihrem
Zimmer für sich zu haben, mehr kümmerte sie nicht. Nach ihrer Aussage erwartete
sie, ihren Mann erst wenige Stunden vor dem Rückflug wiederzusehen. Doch dann
drangen die Gerüchte von dem Toten zu ihr.«
Schmalfuß
zog seine Kniestrümpfe hoch, obgleich sie makellos saßen.
»Die
Todesursache. Sie sagten, er sei erstickt? In der Zeitung stand jedoch, dass
der Mörderdraht der Guillotine, wie man diese Gerätschaft in den
Revolverblättern nennt, an seinem Ableben verantwortlich zeichnete. Dies ist
doch auch der Grund, warum man mich wieder auf freien Fuß setzte, nicht wahr?.«
»Nein,
er ist tatsächlich erstickt worden, vermutlich nachdem er bereits im Sand
eingegraben war, denn so konnte er sich schwerlich wehren. Die Supermarkttüte
wurde über seinen Kopf gestülpt und festgezogen, bis er keine Luft mehr bekam,
erst danach hat der Mörder den Draht um seinen Hals gelegt und so fest
zugezogen, dass er sich tief ins Fleisch eingeschnitten hat.«
»Aber
wozu dieser grausige Aufwand?«, fragte Seda und angelte nach einer neuen
Flasche Wein, die in einer kleinen Eisbox unter dem Tisch verstaut war. »Wenn
er doch schon tot war?«
»Der
Mörder scheint ostentativ einen Zusammenhang zu Bernadette Fischbachs Ermordung
herstellen zu wollen.«, überlegte Schmalfuß und hielt Seda sein Glas hin.
»Köstlicher Tropfen, Fräulein
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