Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Seda, und bei dieser abendlichen Hitze, die ich
als Norddeutscher wohl doppelt empfinden muss, nachgerade ein Labsal für die
Götter.«
»Das
denke ich auch.«, nickte Kadir. »Und was noch erstaunlicher ist: Auch Dalga ist
davon überzeugt. Der Mörder tat dies entweder um die Polizei in die Irre zu
führen, falls es sich doch nicht um ein und denselben Täter handelt, oder aber
um mittels des ursprünglichen Mordwerkzeugs explizit darauf hinzuweisen, dass
er wieder zugeschlagen hat.«
»Das
wäre reichlich narzisstisch, oder? Wieso sollte jemand auf die eigene
Handschrift hinweisen und nicht möglichst alle Spuren verwischen?«
»Oh,
Fräulein Seda, Sie würden sich wundern, wie viele verbrecherische Kreaturen
eitle Pfauen sind, die nach Anerkennung, wie pervers auch immer, für ihr Tun
lechzen! Zu meiner Zeit trug diese menschliche Schwäche, die schlussendlich in
all ihrer Bandbreite bis zum pathologischen Narzissmus auch bei friedfertigen
Menschen verbreitet ist, so manches Mal zur Auflösung auch der kniffligsten
Fälle bei. Mir schien es immer, dass gerade die intelligentesten Verbrecher,
die an alles gedacht hatten, die jede anderweitige Spur beseitigt hatten,
beeindruckend oft über diese Charakterschwäche stolperten.«
»Lasst
uns noch einmal von vorne anfangen.«, sagte Kadir, der über die Brüstung zwei
junge Männer auf der anderen Straßenseite beobachtet hatte. Er hörte nicht, was
sie sagten, aber ihre Haltung bedeutete ihm, dass sie sich gleich aufeinander
stürzen würden, wenn die umstehenden Freunde sie nicht aufhielten.
Berufskrankheit, dachte er, dass ich bei dem wunderbaren bunten Treiben dort
unten nur die Störfälle bemerke. Er wandte sich ab und versuchte sich zu
konzentrieren.
»Wen
haben wir alles? Bernadette Fischbach, Matuschke, Volkmann, die Ehefrauen der Beiden,
die Russenmafia und schließlich noch Deniz, denn schließlich ist der Gärtner
doch immer der Mörder.«
»Sehr
witzig! Ausgerechnet der Frosch. Deniz ist raus aus der Geschichte.«
»Die
Russenmafia, so spannungsgeladen und schlüssig Sie uns dies auch dargestellt
haben, Seda, ist ebenfalls raus. Ihr Vater hat nichts gefunden, das haben Sie
selbst zugegeben, und Dalga auch nicht. Ausnahmsweise war der komiser hier einmal eine Hilfe, indem er die entsprechenden Informationen zu den
russischen Villenbesitzern an der Küste und im Umland geliefert hat. Da gibt es
nichts, was man nicht auch über diese Leute googlen könnte, selbst die krummen
Geschäfte, in die der ein oder andere verwickelt scheint, sind kein
Staatsgeheimnis und in der Presse hinlänglich breitgetreten worden. Keiner von
ihnen ist in der Ölbranche tätig und nur einer hat eine Verbindung zu Hamburg,
er besitzt eine Stadtwohnung in Blankenese. Wenn Frau Fischbach also nicht für
finstere Mächte gearbeitet hat, woher hatte sie das Geld für ihre … nun ja, ich
will es mal Vergnügungen nennen? Und hier kommt die Auflösung: Meine deutschen
Ex-Kollegen haben noch einmal alle Angestellten in Frau Fischbachs Büro verhört
und es stellte sich heraus, dass sie mit einer anderen Kollegin, einer
technischen Zeichnerin, am Wochenende in der Gastronomie jobbte. Daher wohl das
Geld, mit dem Frau Fischbach hier um sich schmiss. Die Kollegin erzählte, dass
der Sommerurlaub alles war, worauf Bernadette hinarbeitete, diese drei Wochen
waren ihr heiliger Gral, sozusagen, er war alles was sie hatte. Ach, da fällt
mir in dem Zusammenhang ein: Die Überprüfung der Partnervermittlungsbörsen hat
auch nichts gebracht, Frau Fischbach war nirgends registriert. All ihre
Energie, wohl auch die, ähem, sexuelle, hat sie auf diese drei Wochen Ferien
fokussiert, als wäre diese Zeit eine Art … Erlösung oder Entschädigung, was
weiß ich. Vielleicht musste sie sich früher keine Männer kaufen, aber
irgendwann schien das wohl angefangen zu haben. Traurig, nicht, wenn man
genauer darüber nachdenkt? Über den Nebenjob hatte die Kollegin bei der ersten
Vernehmung Stillschweigen bewahrt, weil es in der Firma verboten ist nebenher
zu jobben und keine von Beiden hatte sich im Vorwege die Genehmigung vom Chef
eingeholt, wohl wissend, dass er sie nicht geben würde. Aber nun hatte sie
Angst etwas zu verschweigen, was vielleicht für die Aufklärung des Falles
wichtig wäre. Nun, Frau Fischbach brauchte also keinen russischen Industriespion,
der sie mit Geld versorgte, ihre Geldquelle war sie selbst. Was uns wieder zu
dem Russen in Blankenese führt. Einen Zusammenhang zwischen
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