Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
spartanische Einrichtung gewundert, ja, auch
über das Viertel, das Seda sich ausgesucht hatte. Er wusste, dass sie aus einer
wohlhabenden Familie stammte und sich jede andere Gegend und ein deutlich
luxuriöseres Ambiente hätte gönnen können. Doch er erinnerte sich, dass er, als
er sie einmal daraufhin angesprochen hatte, warum sie bei ihrer Ausbildung und
ihren Sprachkenntnissen Rezeptionistin geworden war, nur einen kühlen Blick und
ein knappes Weil ich es so wollte! kassiert hatte. Deshalb sagte er zu
ihrer winzigen Wohnung nichts.
Der
Duft frisch gerösteter Kaffeebohnen drang zu Kadir. Er sah nach den beiden
jungen Kampfhähnen auf der anderen Straßenseite. Sie waren nicht mehr da. In
einigen Cafés waren die Rollläden heruntergelassen, hier und da schimmerte ein
bläulicher Fernseher in den Fenstern, nur noch vereinzelt schlenderten
Passanten durch die Straße. Lachende Kinder, die mit ihren Fahrrädern
Wettklingeln veranstalteten, wurden nach drinnen gerufen.
Nachdem
Dalga mit Frau Volkmann das Revier verlassen hatte um nach Antalya zu fahren,
hatte Olli Reinecke Kadir in den Zellentrakt gedrängt wo sie ungestört waren. - We need Aufklärung and that is: We need it pronto! A guest of my club,
dead, it’s outrageous, unbelievable! Don’t even think of sleeping
and resting till this horrible murder is aufgeklärt. That is your job, you
know, I hope I don’t have to remind you of your duties! Go, go, catch this wild beast!
Seda
kam mit zwei Kaffeebechern zurück und schlängelte sich zu ihrem Platz. Sie nahm
einen Schluck und nickte zufrieden.
»Herzflattern
inklusive.«, kommentierte Kadir anerkennend.
»Mir
ist da eben in der Küche etwas eingefallen, Jungs.« Seda hob die Hand um zu
bedeuten, dass sie jetzt dran war und etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. Die
Männer kannten den Ton und die Geste. Sie rührten sich nicht und sahen sie stumm
an.
»Finden
Sie nicht …«, begann sie gedehnt, »…dass die Kulisse der Morde, also das
Drumherum, meine ich, in beiden Fällen etwas Kindisches hat?«
»Wie
meinen Sie das?«
Seda
wedelte Kadirs Frage beiseite, als ob sie sie bei ihren Ausführungen unendlich
stören würde. Schmalfuß trat Kadir vorsichtig gegen den Knöchel und schüttelte
sanft den Kopf.
»Das
ist doch ganz offensichtlich! Als ob ein Haufen Kinder, zum Beispiel diese
Jungs dort drüben auf ihren Fahrrädern, beschließt: Kommt, wir spielen Mörder
und Detektiv und dann legen sie los und zwar in dem Terrain, in dem sich
Kinder am wohlsten fühlen und das sie kennen. Eine Röhrenrutsche! Ein echtes
Kinderparadies! Und dann: Nicht ein Schuss streckt das Opfer nieder sondern
eine selbstgebastelte Konstruktion, eine irre Guillotine, wie man sie noch nie
gesehen hat – etwas wie aus einem Zauber- oder Bastelkasten oder etwas, was ein
Kind im Fernsehen oder im Internet sieht, nicht richtig versteht und dann
nachbaut. Dann der nächste Mord: Das Opfer wird im Sand vergraben! Im Sand! Wie
oft, Kadir, haben Sie das mit Ihren Schwestern gespielt? Hundertmal? Jedes Kind
kennt das irre Gefühl, wenn man bis zum Hals im Sand liegt und Arme und Beine
nicht mehr bewegen kann, und die anderen Kinder können einem in die Nase
zwicken oder einen Wassereimer über dem Kopf ausleeren. Ein schaurig-irres
Gefühl der Hilflosigkeit, das man auch als Erwachsener nicht vergisst!«
»Also,
an der Nordsee ist das nicht so schön.«, wagte Schmalfuß einzuwerfen. »Da sind
eklige Würmer im Sand, also nein, da habe ich mich nie eingraben lassen.« Und,
fügte er in Gedanken wehmütig hinzu, für solch kindlich-harmlose Vergnügungen
hatten wir damals keine Zeit, wir mussten nach Kartoffeln graben oder
kilometerweit über Land laufen um bei den Bauern der Lüneburger Heide etwas zu
essen aufzutun.
»Seda
hat Recht.«, staunte Kadir. »Es ist wirklich so, als ob ein böses Kind ein
schreckliches Spiel spielt. So eine Art Carrie – des Satans jüngste Tochter in
Dereköy.«
»Natürlich
habe ich Recht!«, stellte Seda abschließend fest. »Aber was machen wir nun mit
dieser Erkenntnis? Kinder überprüfen? Erwachsene ausfindig machen, die den
bösen Blick haben und sich gleichzeitig albern und kindisch benehmen?«
Kadir
lachte. »Dann wäre Refik Dalga mein Hauptverdächtiger. So viel ist klar!«
Kapitel 14
- Leading Ladies -
»Zekiye,
bitte schicken Sie den nächsten Patienten erst in zehn Minuten hinein, ich
brauche einen Moment Ruhe.«, sagte Nevin und presste zwei Finger an
Weitere Kostenlose Bücher