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Halte meine Seele

Halte meine Seele

Titel: Halte meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Vincent
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und suchte verzweifelt nach einem vertrauten Umriss. Oder auch einem Unbekannten. Irgendeinem Hinweis darauf, wo ich mich befand. Aber alles war grau, als wäre ich erblindet, und selbst bei geschlossenen Augenlidern sah ich nicht die übliche flimmernde Schwärze, die ich kannte, sondern eine weite, strukturlose graue Fläche.
    Wie in einem Albtraum.
    Okay, Kaylee, denk nach! Warum hast du geschrien?
    Die Antwort ließ erschreckend lange auf sich warten. Ich wusste nicht, warum ich geschrien hatte. Doch dann atmete ich tief ein und hielt die bitter schmeckende Luft an, die sich als dicke, ölige Konsistenz in meinen Mund legte. Am liebsten hätte ich es ausgespuckt, aber da es hier keine saubere Luft gab, musste ich das Zeug notgedrungen einatmen.
    Dann schlich sich die Antwort in meinen Kopf, fast unbemerkt, wie ein Dieb in der Dunkelheit.
    Ich hatte eine Vorahnung gehabt. Ich hatte geschrien, weil jemand sterben musste.
    Scheiße! Ich befand mich in der Unterwelt. Wo auch sonst? In meiner Welt existierte dieser dicke Nebel nicht, der um meine Beine und Hände waberte und wie nasse Watte an meinen Fingern entlangstrich.
    Moment mal, das konnte aber auch nicht sein. Denn gesehen hatte ich diesen Nebel in der Unterwelt noch nie. Ich kannte ihn nur als eine Art Decke, die über meiner Wirklichkeit lag, wenn ich einen Blick in die Unterwelt riskierte. War es das also, schaute ich in diesem Moment in die Unterwelt? Und wenn ja, warum konnte ich den Nebel, der bisher rein visuell gewesen war, jetzt fühlen?
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Das war nicht die echte Unterwelt. Sondern eine geschönte Version, wie in einem …
    Traum!
    So musste es sein! Ich hatte im Schlaf vom Tod geträumt. Und deshalb befand ich mich in einer Art Traumversion der Unterwelt, die der echten so nahe kam, wie es dem Unterbewusstsein möglich war. Doch obwohl ich die Wahrheit erkannt hatte, wallte der Schrei in meinem Hals auf, als Begrüßung für die dunkle, verschwommene Gestalt, die aus dem Nebel direkt auf mich zukam.
    Ein Zombie?
    Es war ein Mensch. Oder zumindest sah es aus wie ein Mensch, mit Kopf und Schultern in der richtigen Größe und wahrscheinlich einem passenden Paar Armen und Beinen. Obwohl die Gestalt immer näher kam, konnte ich nicht sagen, ob Mann oder Frau, weil sie in dem immer dichter werdenden Nebel nur schemenhaft zu erkennen war.
    Der Schrei kratzte in meinem Hals, als hätte ich Glasscherben geschluckt. Aus Furcht biss ich die Zähne aufeinander und ballte die Fäuste so fest zusammen, dass die Nägel ins Fleisch schnitten, nur um endlich aufzuwachen. Ich musste dieser Traumversion der Unterwelt entkommen, bevor ich den Todeskandidaten erkennen konnte. Den Menschen, dessen Tod mein Unterbewusstsein durch den Schrei ankündigte, und zwar mit zunehmender Gewissheit.
    Doch nichts geschah. Ich spürte keinen Schmerz an den Händen, unter den Fingernägeln kam kein Blut hervor, und ich wachte auch nicht auf. Stattdessen näherte sich die Gestalt immer weiter.
    Sie war nur noch knapp zwei Meter von mir entfernt, bewegte sich jedoch völlig lautlos. Eineinhalb Meter, aber es war nichts zu hören, kein Rascheln, keine Schritte.
    Ein Meter, und langsam konnte ich durch den Nebel die Gesichtszüge erkennen. Eine Nase. Zwei schemenhafte Augen, den dunklen Höhlen eines Kürbiskopfs gleich. Und ein großer, klaffender Mund …
    Die Schmerzen in meinem Hals wurden so stark, dass ich Angst hatte, er könnte zuschwellen. Es fühlte sich an, als hätte ich Rosenzweige samt Dornen verschluckt, und irgendjemand zöge sie jetzt langsam wieder heraus.
    Aber ich konnte nicht aufhören zu schreien.
    Halb gelähmt vor Schmerzen sah ich zu, wie die Gestalt vor mir auf die Knie fiel und mir eine geisterhafte Hand entgegenstreckte. Die Finger zerfurchten den Nebel, bevor sie nach unten sanken und mitsamt der Gestalt im Nebel verschwanden.
    Doch bevor der Nebel sich lichten und ich einen Blick auf das Gesicht werfen konnte, explodierte der Schrei in meinem Inneren mit aller Macht und zerriss die Stille wie das Nebelhorn die ruhige See.
    Ich schrie und schrie.
    Mit aller Macht wollte ich mir den Mund zuhalten, das Geräusch zurückdrängen, das meine Zähne zum Klappern brachte. Aber meine Hand ließ sich nicht bewegen, sie war wie einbetoniert, obwohl mich niemand festhielt. Panik wallte in mir hoch und pumpte eine weitere Dosis Adrenalin durch meine Adern: Meine Arme waren wie festgefroren!
    Mir blieb nichts anderes übrig, als ganz fest die

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