Halte meine Seele
aber das Büro ist zu spät informiert worden. Also haben sie es an mich geschickt.“
So langsam machten sich Übermüdung und Schock deutlich bemerkbar. Der Flur verschwamm vor meinen Augen, und ich musste ein paarmal blinzeln, bis ich wieder scharf sehen konnte. „Das hätte also nicht passieren müssen …“
Todd zuckte die Schultern. „Es hätte wahrscheinlich nicht passieren dürfen. Das ist erst meine zweite Ergänzung in den zwei Jahren als Reaper, und es trifft ausgerechnet Emmas neuen Freund. Warum war sie nicht bei ihm? Was war da los, Kaylee?“
Die Nachricht von Dougs Tod stimmte mich traurig – nicht als Banshee, sondern als Mensch – und verstärkte die Schuldgefühle, die ich schon seit Tagen hatte, nur noch mehr. Ich geriet ins Wanken und musste mich mit dem verletzten Arm an der Wand abstützen, doch der Schmerz, den ich im Arm verspürte, war nichts im Vergleich zu meinem schmerzenden Herzen.
„Alles okay?“ Todd klang ernsthaft besorgt.
„Nein.“ Ich packte ihn am Arm und zog ihn den Flur entlang. Zum Glück hatte ich diesmal nicht ins Leere gegriffen. „Weiß man schon, woran Doug gestorben ist?“
„Er hatte ein paar Prellungen und Platzwunden, aber die hat er sich laut Arztbericht wohl bei dem Anfall geholt. Außerdem hatte er Alkohol im Blut, aber nicht genug, um daran zu sterben. Der Drogentest steht noch aus, aber Richie Rich senior behauptet steif und fest, dass sein Sohn clean ist, und falls die Untersuchungen etwas anderes ergeben, will er das Labor verklagen. Oh Mann, hoffentlich habe ich an dem Tag Dienst, wenn sein Name auf der Liste auftaucht.“
„Irgendwann rächt sich das Schicksal und brät dir eins über, Todd.“
„Ich bin tot.“ Er deutete auf seinen Körper, der immer noch ziemlich lebendig aussah. „Das mit dem Überbraten habe ich schon hinter mir.“
Da war was dran …
„Also, wo stecken Nash und Emma? Und bist du für halb drei Uhr morgens nicht ein bisschen overdressed?“
„Was, schon so spät?“ Ich stöhnte auf. Emma war erst nach einer halben Stunde wieder eingeschlafen, und die Suche nach Todd hatte mich mehr Zeit gekostet als erwartet. Mir blieb weniger als eine Dreiviertelstunde, bevor in Emmas Zimmer das Telefon klingelte.
„Lange Geschichte.“ Nervös strich ich mir durchs Haar. „Ich bin wegen Nash hier. Hast du ihn mit Doug reinkommen sehen?“
Der Reaper runzelte die Stirn. „Nein. Warum auch?“
„Weil Doug seinetwegen gestorben ist.“
Todd schaute mich ungläubig an, und ich hätte schwören können, dass sein Gesicht an Farbe verlor. Aber war das bei einem Toten überhaupt möglich? „Wovon redest du da bitte schön?“
Bevor ich es ihm erklären konnte, trat ein Paar in den Vierzigern mit müden, angespannten Gesichtern durch die Tür.
„Ich muss mich setzen.“ Diesmal glitt meine Hand direkt durch Todds Arm hindurch, als ich nach ihm griff. „Cafeteria?“, flüsterte ich.
Todd schnaubte, schon halb auf dem Weg. „Der Kaffee schmeckt heute zwar wie Spülwasser, aber von mir aus.“ Nach einem kurzen Gang über die Flure erreichten wir endlich die Cafeteria. Sie war funktional eingerichtet, mit viereckigen Tischen und billigen Plastikstühlen aus den Siebzigern, und wirkte ziemlich angestaubt. „Du hast echt Glück, dass du mich erwischt hast. Meine Schicht war nämlich schon um Mitternacht zu Ende, und ich bin bloß noch hier, weil ich für einen Freund eingesprungen bin.“
Ja, klar. An der Theke nahm ich mir eine Flasche Cola aus dem Kühlregal und zahlte an der Kasse. Nach Ende seiner Schicht hatte Todd eh nichts anderes zu tun, als rumzugammeln und Nash oder mir nachzuspionieren. Er trieb sich fast immer in unserer Nähe herum, ob es uns gefiel oder nicht. Bis zu Addisons Tod jedenfalls.
Doch ich verkniff mir einen Kommentar und begnügte mich mit: „Du hast einen Freund?“
Todd machte ein finsteres Gesicht. „Nun ja, der herkömmlichen Definition zufolge ist er vielleicht kein Freund, aber wenn man bedenkt, dass er sich ständig aufdrängt und mir meine Fehler unter die Nase reibt, dann kommt er dafür durchaus infrage.“
„Klingt eher nach einem Cousin.“ Ich entschied mich für den Tisch, der am weitesten von der Essensausgabe entfernt lag, und Todd setzte sich mit dem Rücken zur Wand neben mich, sodass er alles gut im Blick hatte.
„Also gut, spuck’s aus.“ Er rutschte näher an den Tisch heran, und als ich das Quietschen des Stuhls hörte, wurde mir klar, dass er sich voll
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