Halte meine Seele
musste er mir haarklein alles erzählen, was passiert war, während ich nicht bei Bewusstsein war – sonst würde ich ihn eigenhändig umbringen! Todds Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hegte er ganz ähnliche Gedanken.
Avari trat wieder auf mich zu, und ich trat im Gegenzug einen Schritt zurück, die Lippen so fest zusammengepresst, dass es wehtat. „Wie oft?“, flüsterte ich wütend, verzweifelt darum bemüht, ihn nur meine Wut spüren zu lassen und nicht meine Angst.
Er kam aufreizend langsam auf mich zu und bewegte sich dabei wie ein billiges Flittchen in zu engen Leggings. Als ich erneut zurückwich, stieß ich mit den Oberschenkeln gegen die Schreibtischplatte. Jetzt gab es kein Entkommen mehr, sofern ich ihn nicht durchs ganze Haus führen wollte. Und das wollte ich ganz sicher nicht.
„Wie oft ich in dir war?“, fragte er und warf mir aus Emmas großen braunen Augen einen anzüglichen Blick zu. Seine Wortwahl versetzte mir einen Schlag in die Magengrube. Allein die Vorstellung, dass er in mir gewesen war, unter meiner Haut, und meine heiligste Grenze überschritten hatte: die Grenze zu meiner Seele.
„Mehrmals“, antwortete Avari schließlich, und bei seinem nächsten Schritt kam er kaum dreißig Zentimeter von mir entfernt zum Stehen. „Und ich muss sagen, es war mir ein großes Vergnügen.“ Er beugte sich vor und legte die Wange an meine.
„Jedes …“ Ich schluckte schwer, als seine Lippen mein Ohr berührten.
„… einzelne …“ Sein heißer, feuchter Atem strich über meinen Hals, und ich hielt angewidert den Atem an.
„… Mal.“ Bei seinem letzten Wort stellten sich mir die Nackenhaare auf, und ich unterdrückte mit Mühe die aufsteigenden Tränen.
Todd stand hinten im Zimmer und hörte zu, die Fäuste geballt, das Gesicht vor Zorn zur Grimasse verzerrt.
Dann trat der Hellion zurück und verzog Emmas Schmollmund zu einem Lächeln. Mich schauderte beim Anblick des lüsternen Funkelns, das sich in Emmas Augen breitmachte. „Es hat echt Riesenspaß gemacht, einen Banshee-Teenager zu spielen – einmal hat dein Freund gar nicht gemerkt, dass du deinen Körper verlassen hast …“
Meine Wut steigerte sich, bis ich kurz vorm Explodieren war. Was zum Teufel hatte er getan? Wozu hatte er mich gebracht? Und hatte Nash wirklich geglaubt, ich wäre es gewesen … was auch immer ich als Avari getan hatte?
„… aber er muss eine andere Lösung finden, wie wir kommunizieren können. Obwohl ich neulich, mit deinem Klassenkameraden, schon ziemlich nahe dran gewesen war.“ Als er mein Erstaunen bemerkte, hob er fragend eine Augenbraue. „Wie geht es eigentlich deinem Arm?“ Er warf einen demonstrativen Blick auf meinen rechten Ärmel, unter dem sich der Verband abzeichnete.
Mein Kopf dröhnte, als hätte mir jemand mit dem Vorschlaghammer eine verpasst. Avari steckte dahinter. Hinter allem!
Nash hatte recht gehabt. Avari war Scotts Schattenmann! Er war auch das Phantom, das Doug auf dem Beifahrersitz gesehen hatte. Und er verkaufte Nash seinen Hellionatem! Avari besaß Addisons Seele. Er hatte Todd und Everett bestochen, damit sie sein giftiges Abfallprodukt in die Menschenwelt schmuggelten und es unter die Leute brachten. Er hielt Nash in der Unterwelt gefangen. Und er war auch der Organisator des Übergangsfestes, das rein zufällig zeitgleich mit unserem Weihnachtsmarkt stattfand.
Warum hatte ich das nicht schon früher begriffen? Alle Wege führten letztendlich zu Avari. Und aus irgendwelchen Gründen hatte er versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen.
Jetzt wusste ich endlich, welche Frage ich stellen musste: „Was willst du?“
Avari schlang einen Arm um den Bettpfosten. „Dich“, antwortete er mit tiefer, dunkler Stimme, einer Stimme, die gar nicht zu Emmas blassrosafarbenen Lippen passte. „Ich will dich! Und wenn du jetzt sofort mit mir kommst, verspreche ich dir, dass ich deinen Freund freilasse.“
Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Todd wie wild den Kopf schüttelte, aber ich durfte nicht hinsehen und damit seine Anwesenheit verraten. Ich wusste auch so, was ihm durch den Kopf ging. Avari würde Nash vielleicht sogar zurückschicken, die Frage war nur, wann, wo und in welcher Verfassung.
Oder in wie vielen Teilen.
„Warum ich?“, fragte ich, starr vor Angst. „Hast du noch nicht genug Assistenten und Bedienstete, oder fehlt es dir an kleinen Snacks?“
„Man kann nie genug Assistenten haben.“ Natürlich. Ich sprach ja schließlich mit einem Hellion
Weitere Kostenlose Bücher