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Halte meine Seele

Halte meine Seele

Titel: Halte meine Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Vincent
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beschweren.
    „Meinst du wirklich, dass ich damit nicht auffalle?“, fragte ich skeptisch. Auf einmal war ich ganz sicher, dass Todd sich einen üblen und ganz und gar unpassenden Scherz mit mir erlaubte.
    Er grinste. „Jetzt glaube ich fast, dass du doch auffallen wirst, aber im positiven Sinn.“
    „Aber ich sehe immer noch aus wie ein Mensch.“ Besonders mit der Gänsehaut auf den nackten Armen.
    „Das tun Sirenen auch. Außerdem kann sich unter dem Rock ja genauso gut ein Schwanz oder ein drittes Bein verstecken.“
    „Wie beruhigend …“ Ich schlug die Autotür zu und wollte loslaufen, doch der Rock hatte sich in der Tür verklemmt. Genervt riss ich an der Klinke und befreite den Rock, auf dem jetzt ein großer Ölfleck prangte. Das sah man sogar im Dämmerlicht. Sophie würde mich umbringen. „Bringen wir es hinter uns.“
    Wenn wir Glück hatten, konnte ich mir meine Männer schnappen und Sophies Kleid zurückbringen, bevor sie es überhaupt bemerkte. Sollte sie sich ruhig ihr Leben lang wundern, woher der Fleck stammte. Unter den gegebenen Umständen geschah ihr das gerade recht.
    „Also gut, verhalte dich einfach so, als gehörst du dazu. Aber schau niemandem in die Augen.“ Todd nahm mich an der Hand und führte mich – besser gesagt zog mich – über die Straße. „Und wenn du das Gefühl hast, dass irgendwas nicht stimmt, dann kommst du sofort zurück. Es bringt keinem was, wenn du geschnappt wirst.“
    „Dasselbe gilt für dich“, erwiderte ich. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, damit sie nicht vor Kälte klapperten. Vor dem Fontänenbrunnen blieben wir stehen.
    „Einverstanden.“ Todds Lächeln wirkte aufgesetzt. „Bist du bereit?“
    „Kein bisschen.“ Doch nach einem letzten Blick auf die Menschenwelt schloss ich die Augen. Todd hielt mich fest an der Hand. Er würde uns beide rüberbringen, damit ich meine Stimme für den Rückweg schonen konnte.
    Da ein Reaper für den Weltenwechsel nicht erst das Totenlied anstimmen musste, gelangten wir von einer Sekunde auf die andere in die Unterwelt, was im Vergleich zu meiner eigenen Prozedur eine ziemlich verwirrende Erfahrung darstellte.
    Selbst mit geschlossenen Augen spürte ich eine Veränderung an meinen nackten Armen und Schultern. Die Dezemberluft war genauso kalt wie bei uns, aber irgendwie schneidender. Gefährlicher.
    Die Umgebungsgeräusche meiner Wirklichkeit verklangen schlagartig. Der Autolärm und die leise Weihnachtsmusik aus der Turnhalle – alles war weg. Genauso wie das Licht der Straßenlaternen und das leise Rauschen des Windes in den blätterlosen Zweigen der Bäume.
    Stattdessen drang seltsames Stimmengewirr an meine Ohren, bekannte Wörter in völlig absurden Tonlagen und Sprachmelodien. Selbst das leise Plätschern des Brunnens klang anders, so als wäre das auf den Brunnenrand spritzende Wasser irgendwie dickflüssiger.
    Als ich die Augen aufschlug, traf mich fast der Schlag. Ich stand immer noch in Sophies weißem Eisköniginnenkleid neben dem Brunnen, der es unbeschadet in die neue Realität geschafft hatte. Doch hier unten spritzte kein Wasser aus der Fontäne, sondern Blut, und plätscherte in den grässlichen, blutroten Pool an seinem Sockel.
    Damit hätte ich eigentlich rechnen müssen.
    Doch der Brunnen war noch lange nicht alles. Auf dieser Seite des grauen Nebels waren Todd und ich nicht die einzigen Parkbesucher.
    Im Gegenteil.

24. KAPITEL
    „Alles okay?“, flüsterte Todd so dicht an meinem Ohr, dass sein Atem in dieser Kälte angenehm warm über meinen Hals strich.
    „Mhm.“ Mehr zu sagen, traute ich mich nicht, aus Angst, unsere Deckung platzen zu lassen. Todd drückte mir aufmunternd die Hand: Hier in der Unterwelt war er zwangsläufig physisch anwesend.
    Um uns herum herrschte großes Getümmel. Einige der Unterweltwesen standen in Gruppen zusammen, andere liefen ziellos durch den graslosen Park. Manche flüsterten leise und zart wie der Wind, andere dröhnten mit lauter, tiefer Stimme. Die glitzernden, fließenden Gewänder hatten sie mit mehreren Lagen bunter Federn geschmückt, die von mir unbekannten Vögeln stammten. Wallende Bahnen durchscheinenden Stoffs umhüllten Kreaturen undefinierbaren Geschlechts.
    Einige der Gestalten trugen Masken. Ein Mann mit Schwanz und drei Beinen senkte seine mit vier glitzernden lilafarbenen Augen bemalte Maske, und darunter kam statt eines Gesichts eine glatte, völlig strukturlose weiße Hautfläche zum Vorschein. Todd bemerkte mein Entsetzen und

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