Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
vielerlei mehr. Es wäre unmöglich, diese vielfältigen Interaktionen in ein einzelnes, allumfassendes Netz zu integrieren. Doch auf welcher Organisationsebene wir die Sache auch betrachten, wir begegnen offenbar immer den gleichen robusten und universellen Gesetzen, die auch in den Netzen der Natur gelten.«
Stellen Sie sich das Gemälde eines Baums vor. Ist der Baum real?
Neuphilologie und Mediävistik, Cambridge
Die spontane Antwort lautet, dass das Bild real ist, der Baum aber nicht, auch wenn es sich um ein reales Gemälde eines real existierenden Baumes handelt. Im alltäglichen Leben fällt es den meisten Menschen leicht, Reales von Nicht-Realem zu unterscheiden. Versucht man jedoch, Realität zu definieren, erweist sich der Begriff schnell als verwirrend. Philosophen beschäftigen sich mit diesem Problem schon seit Jahrtausenden.
Lassen sich Dinge als real beschreiben, weil wir sie mit unseren Augen sehen? Das scheint ein guter Test zu sein, zumal unsere optische Wahrnehmung häufig durch Informationen von unseren weiteren Sinnesorganen bestätigt wird. Doch kann man wirklich sicher sein, dass das Gesehene real ist? Verschwindet es vielleicht, sobald wir wegschauen? Träumen wir eventuell nur? Oder werden wir von einem Hologramm in die Irre geführt? Vielleicht täuscht uns unser Selbstverständnis als Menschen ja auch und wir sind nicht mehr als eine in einer Nährstofflösung konservierte Gehirnmasse, der ein verrückter Wissenschaftler eine virtuelle Welt vorgaukelt? Selbst unsere Erinnerungen könnten auf einer Illusion beruhen – wer sagt, dass die Welt nicht erst vor ein paar Minuten entstanden ist, mitsamt all den Erinnerungen in unserem Gedächtnis? Descartes behauptete, wir könnten uns nur der Tatsache sicher sein, dass wir denken. Diese Idee fasste er in dem Spruch Cogito, ergo sum (»Ich denke, also bin ich«) zusammen.
Eines der Probleme der visuellen Wahrnehmung als Realitätsnachweis besteht darin, dass unsere Augen die Dinge zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich sehen und mitunter Täuschungen unterliegen. Der Himmel scheint nachts schwarz und tagsüber blau. Ein Kleid mag im Sonnenlicht weiß wirken, aber gelb im Kerzenlicht. Eisenbahngleise scheinen in der Entfernung aufeinander zuzulaufen. Weiter entfernte Dinge wirken kleiner. An heißen Tagen nehmen wir auf Straßen imaginäre Pfützen wahr. Der griechische Philosoph Platon bezeichnete das, was wir für die Realität halten, als Schatten von Gegenständen, die durch das Feuer in der unterirdischen Höhle, die symbolisch für das Dasein des Menschen steht, an die Wand geworfen werden – die wahre Realität hingegen spiele sich draußen im Sonnenlicht ab. Nach Platons Ansicht befindet sich hinter der veränderlichen, unvollkommenen Welt, die wir wahrnehmen, eine andere Ebene mit unwandelbaren, perfekten Formen und einer inneren Realität, die so gleißend ist wie der sonnenhelle Tag vor der Höhle. Die Philosophie hat sich heute weitgehend von dieser Sichtweise verabschiedet, doch auf Schriftsteller übt sie weiterhin große Faszination aus.
Der englische Philosoph John Locke löste das Problem der Illusionen anders. Seiner Auffassung nach arbeitet der menschliche Verstand wie ein »Schrank, in dem es völlig dunkel ist«. Nur durch kleine Ritzen dringen Abbilder von Gegenständen ein. Diese Abbilder erzeugen unsere Vorstellung von der Realität. Wir sehen also keine realen Gegenstände, obwohl diese existieren, sondern unser Verstand erzeugt aus visuellen Eindrücken Repräsentationen von Gegenständen. In anderen Worten: Einen Baum zu sehen bedeutet, das Abbild eines Baums in unserem Verstand zu sehen. Zu beobachten, wie sich jemand unter den Baum setzt, ist, als sähe man einen im Kopf ablaufenden Film. Wenn dem so ist, dann ist unser Gemälde von einem Baum nicht weniger real als ein »echter« Baum, denn es gibt schlicht wieder, wie der Künstler den Baum vor seinem geistigen Auge sah.
Eines der Probleme dieses »repräsentativen Realismus« besteht darin, dass man sich fragen muss, wer der Beobachtende überhaupt ist. Wenn der Mensch keine realen Dinge wahrnimmt, sondern im Geist innere Bilder erzeugt, setzt dies die Existenz eines weiteren Betrachters voraus, der diese inneren Bilder sieht. Unbetrachtete Bilder können schließlich zu keinem bewussten Wahrnehmungserlebnis führen. Descartes geht davon aus, dass sich im Kopf des Menschen ein »Homunkulus« genanntes immaterielles Wesen befindet, das die inneren Bilder
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