Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
kurzer Dauer: Er fiel nach 24 Stunden ins Wachkoma zurück und starb etwa ein Jahr später.
Von solchen Sonderfällen abgesehen, ist häufig sehr klar zu definieren, dass ein Mensch tot ist, insbesondere bei gewaltsamen Toden. Die Medien sprechen in Zusammenhang mit Unfällen oder Verbrechen oft davon, dass die Opfer »sofort« starben. Dabei kommt das extrem selten vor – selbst Geköpfte »leben« nach Ansicht vieler Menschen nach ihrer Enthauptung noch einige Sekunden »weiter«. Nur wenn der Körper augenblicklich vernichtet wird, tritt auch der Tod sofort ein. Ansonsten ist der Tod ein gradueller Prozess, der sehr schnell oder ganz langsam ablaufen kann. Doch wenn Ihre Leiche erst einmal verbrannt oder Ihr bestatteter Leichnam zersetzt ist, dürfen Sie mit größter Sicherheit davon ausgehen, dass zumindest Ihre leibliche Hülle tot ist. 6
6 Nach Michael Jacksons Tod am 25. Juni 2009 dauerte es nur wenige Tage, bis jemand im Internet behauptete, der Tod sei vorgetäuscht, in Wirklichkeit habe sich Jackson nur dem Blick der Öffentlichkeit entziehen wollen. Jetzt lebe er versteckt (und in Frieden), genau wie Elvis Presley, Tupac Shakur, Jimi Hendrix, Jim Morrison und Amelia Earhart, König Artus, Jesus Christus und viele andere, deren Tod es an Endgültigkeit mangelte. Manche Menschen sind also nie ganz tot, während andere wie Graf Dracula und der durchschnittliche Zombie ganz unverbindlich untot sind.
Tschechow ist großartig, oder?
Neuphilologie und Mediävistik, Cambridge
Ja, er war vielleicht der größte Schriftsteller der letzten 100 Jahre. Unter den Dramatikern besitzen nur Ibsen und Shakespeare den gleichen Stellenwert, und einige von Tschechows Kurzgeschichten, insbesondere Die Dame mit dem Hündchen , gehören zu den Meisterwerken des Genres. Tschechow zeichnete sich durch seine außergewöhnliche Fähigkeit aus, den Seelenzustand seiner Figuren darzustellen.
Vor Tschechow wurden die meisten Geschichten allein durch Ereignisse vorangetrieben. Dinge passieren, die Figuren reagieren darauf, und am Schluss mündet alles in ein rundes Ende: Liebende werden wiedervereint, Schurken bestraft usw. Doch bei Tschechow passiert kaum je etwas. Ereignisse liegen in der Luft, finden jedoch letztlich nicht statt. In Onkel Wanja könnten Jelena und Astrow eine Affäre beginnen, sie lassen es aber sein. Wanja könnte Serebrjakow erschießen, er tut es aber nicht. Auch Die Dame mit dem Hündchen endet trist, wohl kaum ein Leser wird glauben, dass für die unglücklich Liebenden Gurow und Anna Sergejewna irgendwann einmal alles gut wird. Tschechows Dramen und Erzählungen besitzen meist ein offenes Ende, nie kommt am Schluss ein echter Höhepunkt. Dennoch fehlt es ihnen nicht an Dramatik. All das Ungesagte, das Unterlassene ist eindringlicher und bewegender als jede ereignis- und temporeiche Geschichte.
Tschechow ist großartig, weil es ihm gelingt, die Zerrissenheit seiner Charaktere durch das auszudrücken, was sie nicht sagen und nicht tun. Am Ende von Onkel Wanja etwa kehren Sonja und Wanja fast schweigend zur Routine des Alltags zurück und setzen ihr Leben fort, als wäre nichts passiert und als würde nie etwas passieren. Die Tragödie ihres Verlusts und die Gewissheit, dass sie ihrem beschränkten Leben niemals entkommen, sind jedoch spürbar. Deswegen finden Tschechows Worte bei uns Resonanz, deshalb bewegen sie uns mehr als turbulente Geschichten: Sie spiegeln unser Gefühl, dass wir alle viel mehr erhoffen und erträumen, als wir je ausdrücken oder realisieren können.
Tschechow war sich der Tatsache bewusst, dass unsere vergeblichen Versuche, unsere sehnlichsten Wünsche zu verwirklichen, absurde und fast komische Züge tragen. Er bezeichnete seine Stücke auch als Komödien, obwohl sie sich allein mit den Themen des Scheiterns und der Sinnlosigkeit zu beschäftigen scheinen. Wie kaum ein anderer Schriftsteller arbeitet Tschechow subtil die humorvollen Facetten der Absurdität einer Figur heraus und deckt gleichzeitig die Charakterschwächen auf, die ihr die Absurdität verleihen.
Indem Tschechow den Erlebnissen seiner Protagonisten keine Dominanz verleiht, gewinnen Nebenfiguren größere Bedeutung. In Drei Schwestern beispielsweise rührt uns die Einsamkeit von Kulygin ebenso wie die von Olga, Mascha und Irina. Nebenfiguren dienen Tschechow nicht dazu, die Handlung voranzutreiben, sondern dazu, ein Szenario inneren Erlebens zu entwerfen, in dem alle durch ähnliche Träume miteinander verbunden
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