Halten Sie sich für schlau?: Die berüchtigten Testfragen der englischen Elite-Universitäten (German Edition)
Hologramm, das sowohl Einwohnern als auch Besuchern vollkommen überzeugend erscheint. Oder vielleicht leiden Sie ja auch einfach an Wahnvorstellungen. Angesichts der Vielzahl und Vielseitigkeit der bestehenden Informationsquellen ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kalifornien tatsächlich existiert, jedoch so hoch, dass Sie für alle praktischen Zwecke von dem Vorhandensein dieses Bundesstaates ausgehen können – es sei denn, man bewiese Ihnen das Gegenteil.
Philosophen hinterfragten schon immer, ob wir uns unseres Wissens über die Dinge sicher sein können. Es scheint, dass wir logisch betrachtet niemals sagen können, über absolute Gewissheit zu verfügen. 5 Selbst Descartes’ berühmte Schlussfolgerung »Ich denke, also bin ich« gilt heute nicht mehr zweifellos als richtig. Insofern könnten wir uns der Existenz Kaliforniens selbst dann nicht sicher sein, wenn wir vor Ort wären. Die meisten von uns sind aber sicher mit Platons weniger absoluten Definition von Wissen zufrieden, die er in seinem Dialog Theaitetos formulierte: »Wissen ist wahre, gerechtfertigte Meinung.«
Platon argumentierte, dass zum Wissen drei Elemente gehören: Erstens, dass eine Tatsache wahr ist. Zweitens, dass man glaubt, dass sie wahr ist (»Meinung«). Und drittens, dass man diesen Glauben begründen kann (»gerechtfertigt«). Das bedeutet: Wenn Kalifornien existiert – und das wird in der Ausgangsfrage ja vorausgesetzt –, dann dürfen wir behaupten zu wissen, dass es existiert, wenn wir der Meinung sind, dass es existiert und diese Meinung begründen können. Die Begründung ergibt sich aus dem überwältigenden Gewicht der Beweise für die Existenz Kaliforniens und der Tatsache, dass keine praktikable Methode zur Widerlegung der Existenz Kaliforniens vorstellbar ist.
Die Begründung speist sich im Allgemeinen aus drei Quellen: aus Sinneswahrnehmungen, glaubhaften Zeugenberichten und logischen Schlüssen. Die Behauptung zu wissen, dass Kalifornien existiert, stützt sich fast ausschließlich auf glaubhafte Zeugenberichte. Eine Rechtfertigung durch Sinneswahrnehmung entfällt, solange man sich nicht vor Ort befindet. Und logisch herleiten ließe sich die Existenz Kaliforniens wohl nur sehr schwierig.
Der österreichisch-britische Wissenschaftstheoretiker Karl Popper (1902–1994) argumentierte allerdings, eine stichhaltige Begründung allein genüge nicht – Behauptungen und wissenschaftliche Theorien müssten immer einer kritischen verstandesmäßigen Prüfung unterzogen werden. Laut Popper muss jede Behauptung grundsätzlich falsifizierbar sein, als Wissen darf nur gelten, wofür es theoretisch einen Gegenbeweis geben könnte. Der Glaube an Gott kann daher niemals zum Bereich des Wissens gehören, denn die Nichtexistenz Gottes kann nie bewiesen werden. Wissenschaftliche Thesen hingegen können widerlegt werden – bei ihrer Formulierung berücksichtigen gute Wissenschaftler auch stets die Annahme, sie könnten möglicherweise falsch sein. Während wir Platon zufolge für wahr halten dürfen, was wahrscheinlich wahr ist, gilt nach Poppers Ansicht: Wir dürfen uns vorsichtig an das halten, was mit der geringsten Wahrscheinlichkeit unwahr ist. Nach Platon dürfen wir also an die Existenz Kaliforniens glauben, weil es viele verlässliche Zeugen gibt. Nach Popper können wir nur sagen, bisher hätten wir noch keinen Beweis für die Nichtexistenz Kaliforniens gefunden.
Es ist selbstverständlich immer klug, die eigenen Kenntnisse zu hinterfragen, und Poppers Argumente sind mit Sicherheit überzeugend. Aber im Alltagsleben muss man aus rein pragmatischen Gründen viele Dinge als Fakt hinnehmen – und die Existenz Kaliforniens gehört dazu. Angenommen, Sie wollen nach San Francisco fliegen, bezweifeln aber, ob es Kalifornien wirklich gibt. Wenn Sie sich nun weigern, ins Flugzeug zu steigen, bevor Sie sich der Existenz der Region absolut sicher sind, dann werden Sie Ihr Leben am Flughafen verbringen. Ihre Zweifel sind nach Popper berechtigt, einen Urlaub erleben Sie so aber nicht.
5 Es ist verlockend, eine Parallele zwischen der Kalifornien-Frage und Berkeleys berühmtem philosophischen Rätsel »Wenn im Wald ein Baum umfällt, aber niemand in der Nähe ist, um das Geräusch zu hören, macht er dann ein Geräusch?« zu ziehen. Doch Berkeley argumentierte, dass Dinge nur dann existieren, wenn wir sie wahrnehmen, und natürlich gibt es zahllose Zeugen für die Existenz Kaliforniens. Als Vertreter des Empirismus würde Berkeley
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