Haltlos
ziemlich überrascht und beeindruckt einen solchen Einfall zu haben, blieb er strahlend vor Tessa stehen und erwartete neugierig ihre Antwort. Diese folgte prompt, wenn auch ein wenig verwirrt „Prinzipiell klingt das alles gut durchdacht und in der Tat plausibel, aber, sag mal, von was für einer Verhandlung sprichst du da eigentlich?“ Lukas hätte im Traum nicht damit gerechnet, dass Josh noch nicht mit Tessa darüber geredet hatte. Aber schließlich war er es ja selbst gewesen, der Josh gebeten hatte ihr noch ein wenig Zeit zu geben, damit sie sich erst einmal sammeln könnte. Sichtlich unangenehm berührt fragte er sie „Ich nehme an, Josh hat es dir noch nicht gesagt?“ auch sein erbärmlicher Versuch Zeit zu schinden half ihm nicht. „LUKE?“ Er platzte einfach damit heraus, schlimmer konnte es eh nicht mehr werden. „Er hat Mike angezeigt und schleift ihn mit Pauken und Trompeten vors Gericht. Der Kerl ist so was von am Arsch, ähm, ich meine natürlich erledigt! Oh, und du wirst wohl als Zeugin erscheinen müssen.“ Den letzten Satz fügte er nur leise und ein wenig genuschelt hinzu, aber die Entrüstung in Tessas Stimme war nicht zu überhören. „Nein!“ Tessa wurde leicht panisch, ihr Herz begann in ihrer Brust heftig zu schlagen, sie stand auf, wurde kreidebleich und wollte am liebsten wegrennen. „Hey T., ganz ruhig, beruhige dich do…“ „Lukas, was heißt hier, dass ich mich beruhigen soll? Ich werde das nicht machen, er kann mich nicht dazu zwingen. Ich werde bestimmt nicht vor allen und vor allem vor ihm erzählen, wie sehr er mich doch verarscht hat und dadurch auch noch vor allen Anwesenden zu geben, wie dämlich ich doch bin!“ Tessa fing unwillkürlich an zu zittern. Lukas ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. Tessa genoss die lang vermisste Wärme zwischen ihnen, all die Jahre hatte sie sich immer so sehr nach ihrem Bruder gesehnt. Was musste erst geschehen, dass er sich ihrer besonnen hat. Langsam beruhigte sie sich ein wenig und auch seine Worte halfen ihr dabei. „Ist ja gut Tess. Josh wird dich bestimmt zu nichts zwingen, was du nicht möc htest. Die Erfahrungen die ich bisher gemacht habe, und dass als Angeklagter und nicht als Jurist“, er hielt sie ein Stück von sich weg um ihr in die Augen zu sehen und ihr zuzuzwinkern, „zeigen, dass das Video Beweis genug für den Richter sein dürfte. Aber als Begründung für deine Europareise ist es die einzige, die Josh nicht ablehnen wird. Alles wieder gut?“ „Nein, nichts ist gut.“ Tessa löste die Umarmung auf. „Aber es wird schon gehen, danke!“ „Wirklich?“ Tessa nickte „Gut, ich muss jetzt nämlich echt los!“ Er gab ihr flüchtig einen Kuss auf die Stirn. „Wohin musst du denn so dringend?“ rief sie ihm noch hinterher. Lukas blieb an der Tür stehen „Ach Schwesterchen, du hast dich quasi einfach so zwölf Wochen aus dem Leben ausgeklinkt. Josh hat mir einen Job besorgt, nicht besonderes, aber eben ´nen Job. Und ich verdiene ein bisschen Geld dazu.“ „`Nen Job, DU?“ fragte Tessa ungläubig „Der Lukas, der vor zwölf Wochen noch mein Bruder war, was hast du mit ihm gemacht. Im Ernst, verrate mir, wie hast du es geschafft ihn heimlich auszutauschen? Hast du ihn entführt, ermordet oder noch schlimmer?“ Sie zwinkerte ihm zu und wich einem Kissen aus, das Lukas nach ihr geworfen hatte. Sie blickte ihn an „Wow, du meinst es diesmal wirklich ernst, oder? “Jep, hast du etwa was anderes erwartet?“ „Ehrlich gesagt ja, aber gehofft habe ich, dass du es jetzt richtig anpackst!“ Sie schlenderte zur Tür, drückte ihm einen Kuss auf die Wange, wobei sie sich auf ihre Zehenspitzen stellen musste. „Danke Lukas!“ Er winkte ab, verabschiedete sich und ging zur Arbeit. In Tessa wuchs der Wunsch tatsächlich diesem mysteriösen Orden auf den Grund zu gehen. Sie wollte um jeden Preis erfahren, ob sie jahrelang einem Phantom besser gesagt einer Fantasie hinterher jagte, oder ob sie ihrem inneren Drang real existierende Vampire zu finden näher kommen würde. Nach zwei Tagen innerer Zerrissenheit überwand sie sich und buchte ein One-Way-Ticket nach Berlin. Jetzt musste sie nur noch Josh davon überzeugen, dass diese „Europareise“ jetzt genau das war, was sie brauchte, um all die schrecklichen Erlebnisse der letzten Monate hinter sich zu lassen. So sammelte sie all ihren Mut und machte sich auf die Suche nach Josh, der um diese Zeit mit Sicherheit im Salon zu finden sein würde.
6.
Als Tessa
Weitere Kostenlose Bücher