Halva, meine Sueße
waren hellgrün, mandelförmig und schimmerten im bunten Glanz der Discolichter rätselhaft.
Ihm fiel ihr dichter Schopf dunkler Locken und eine im Profil
sehr scharfe Nase auf, die ihn an »Asterix und Kleopatra
« denken ließ: »Oh, aber ihre Nase«, sagte Miraculix darin
immer, als könne das alles entschuldigen. Kai unterdrückte
ein Lachen, trank einen Schluck Cola und schlug Mudi auf
die Schulter.
»Gut, dass du da bist. Wollt ihr etwas trinken?«
Die Musik war nun so laut, dass er Mudi ins Ohr schreien
musste. Der nickte und zeigte auf ein Becks, das bereits auf
der Theke für jemand anderen bereitstand. Kai drehte sich
um, um zu bestellen, wandte sich dann aber noch mal an
Mudi: »Und deine Schwester?«
»Einen Orangensaft«, sagte Mudi, ohne Halva zu fragen.
Kai sah Halva verwundert an, doch die schaute sich interessiert
im Raum um und bemerkte seinen Blick nicht. Durfte sie
sich selbst nichts bestellen? Und auch keinen Alkohol? Vielleicht
war das im Iran so. Er musterte sie neugierig: Sie reichte
ihm gerade bis zur Brust und wirkte in den engen dunklen
Jeans, der weißen Bluse und den hohen schwarzen Stiefeln
stolz, aber auch zerbrechlich. Es war etwas Beherrschtes an
ihr, das ihn faszinierte. Der Gürtel, wie sie ihn trug, erinnerte
ihn an eine Ralph-Lauren-Werbung. Ihr ganzer Look wirkte
edel und cool. Halva schien Kais Blick gespürt zu haben,
denn sie sah ihn kurz an, ehe ihr zierlicher Fuß zum Takt der
Musik wippte. Sie lächelte nicht noch einmal.
Das war also Kai, dachte Halva, und schaute ihm unauffällig
hinterher, während er in Richtung Theke ging. Wenn
iranische Männer einen besonderen Blick draufhatten, dann die Frauen auch: Halva sah, ohne hinzusehen. Diskrete kleine
Seitenblicke, die Kai völlig entgingen. Mudi hatte in der
vergangenen Woche immer mal wieder von ihm erzählt. Eigentlich
komisch, dass sie sich nicht schon vorher mal über
den Weg gelaufen waren. Augsburg war ein Nest und jeder
kannte jeden. Vielleicht lag es daran, dass sie keine Freundinnen
in Westheim hatte, wo Kai laut Mudi wohnte, überlegte
Halva.
Kai lehnte sich nun über den Tresen und bestellte etwas
bei einem gut aussehenden Mädchen. Dann drehte er sich
um und stützte sich mit den Ellenbogen auf der Theke ab,
während er auf die Getränke wartete. Seine blonden Haare
waren verstrubbelt und seine glänzenden braunen Augen
erinnerten Halva an geschmolzenen Karamell. Er war größer
und breitschultriger als Mudi oder ihr Vater. An seinem
Hemd standen die oberen Knöpfe offen und Halva sah seinen
kräftigen Hals und die glatte Haut am Ansatz seiner
Brust. Jetzt reichte das Mädchen hinter der Bar ihm ein Bier
und einen Orangensaft und Kai kam wieder zu Mudi und
ihr herüber.
»Hier«, sagte er und reichte ihr das Glas. Er lächelte und
auf seiner Nase konnte sie einige Sommersprossen entdecken.
Halva nickte zum Dank und nahm hastig einen großen
Schluck. Verdammt – jetzt musste sie husten! Beschämt
drückte sie sich die Hand vor den Mund und überlegte, was
sie zu Kai sagen sollte. Etwas Kluges oder Witziges – wenn
ihr nur etwas einfiele. Ihr Hirn war leer und ihr Herz pochte
wie wild. Was war denn bloß mit ihr los? Sie sah wieder auf,
doch in diesem Moment drehte sich Kai von ihr und Mudi weg und starrte gebannt zur Tanzfläche. Was oder wen hatte
er dort entdeckt?
Selina trug ein enges schwarzes Kleid, das sehr tief ausgeschnitten
war, und Schuhe mit schwindelerregend hohem
Absatz. Ihr Anblick ging Kai durch und durch. Sie war hier!
»Sorry, ich muss mal kurz …«, sagte er zu Mudi, der nur
seinem Blick folgte, grinste und dann verständnisvoll nickte.
Auch Halva schaute in Selinas Richtung. Kai drückte sich
an ihr vorbei, drehte sich im Gehen aber noch einmal um
und fing dabei Halvas Blick auf. Hatte sie noch etwas sagen
wollen? Egal, das konnte er sich auch später noch anhören.
Selina tanzte selbstvergessen mit zwei anderen Mädchen
auf der noch beinahe leeren Tanzfläche. Ihre Handtaschen
hatten sie zwischen sich gestellt und umkreisten sie mit geschlossenen
Augen und in den Nacken geworfenem Kopf
wie einen Totempfahl. Selina warf ihr blondes Haar nach
hinten und ihr ganzer Körper löste sich in der Musik auf, so
hingebungsvoll und auch herausfordernd bewegte sie sich.
Als Kai die Tanzfläche betrat, kam von der Seite noch ein
anderer Typ dazu. Eine von Selinas Freundinnen wiegte sich
zu ihm heran, schlang die Arme um seinen Hals und küsste
ihn. Kai rauschte das Blut in den Ohren – in dem
Weitere Kostenlose Bücher