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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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feindliche Welt, erst im Iran
und dann bei ihrer Ankunft in Deutschland. Plötzlich begriff
Halva, was Kindheit bedeutete. Kindheit war Unsterblichkeit,
denn alles schien endlos und unerschöpflich. Zeit.
Hoffnung. Glaube. Freiheit. Diese Unsterblichkeit endete
hier und heute. Sie rang nach Atem. Die Menschen, die sie
am meisten auf der Welt liebte und denen sie am nächsten
stand, hatten sie angelogen? Weshalb? Weil sie mit Kai ins
Kino wollte? Das gab es doch nicht. Es war doch nicht das
erste Mal, dass sie sich mit einem Jungen traf. Ihre Eltern
hatten immer Bescheid gewusst und ihr vertraut. Aber nun
dies! Gab es eine hinterlistigere Täuschung? Und Mudi,
ihr
Mudi,
machte mit ihnen gemeinsame Sache. Halva würgte.
Ihr wurde übel und sie presste die Hand vor den Mund.
Zeit, Hoffnung, Glaube, Freiheit, wiederholte sie leise. Dann
fiel ihr auf, dass sie etwas vergessen hatte: Liebe. Niemand
konnte sie ihr nehmen, entschied Halva. Nein. Niemand
würde
ihr Kai nehmen.
    Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und begann zu weinen.
Kurz darauf kam Mudi die Treppe hoch. Halva setzte sich
mit klopfendem Herzen auf. Ein Teil von ihr, der Teil, der seit
zehn Jahren in Deutschland lebte, flüsterte:
Was denn, das
lässt du dir bieten? Die haben sie wohl nicht mehr alle. Los, raus auf
den Gang! Mach ihm eine Szene, die sich gewaschen hat! Pack dir
Mudi. Schüttle ihn. Schrei ihn an! Stell ihn zur Rede – mach was!!!
    Halva atmete einmal tief durch und lief dann zur Tür. Sie
legte die Hand an die Klinke und wischte sich die Augen.
Schließlich wollte sie jetzt nicht verheult wirken, sondern
souverän.
    Aber genau in diesem Augenblick hörte sie, wie auch die
Schlafzimmertür ihrer Eltern geöffnet wurde.
    »Alles erledigt?«, fragte Baba Mudi leise.
    »Gerne habe ich das nicht getan, Baba.«
    »Ich weiß. Ich auch nicht. Aber es ist zu ihrem eigenen
Wohl. Es gibt Dinge, die sind größer als wir selber.«
    »Wann willst du mit ihr sprechen?« Mudis Stimme klang
bedrückt. Halva presste ihr Ohr an die Tür.
Worüber
sollte
Baba mit ihr sprechen?
    »Bald. Jetzt geh schlafen.«
    »Gute Nacht, Baba.«
    »Gute Nacht, mein Sohn. Ich bin stolz auf dich. Stolz,
dass du verstehst, worum es hier geht. Und was auf dem
Spiel steht.«
    Mudis Schritte entfernten sich in sein Zimmer und auch
die Schlafzimmertür ihrer Eltern schloss sich wieder. Halvas
Hand glitt von der Klinke. Sie stand eine Weile reglos da,
als fehle ihr mit einem Mal die Energie, sich auch nur zu
rühren.
    Die selbstbewusste Stimme in ihrem Innern war auf einmal verstummt und zurück blieb nur ein zaghaftes Flüstern:
Warte nur ab. Es wird sich sicher alles aufklären. Du kennst doch
Mudi und Baba. Sie wollen bestimmt nur dein Bestes!
    Halva legte sich wieder in ihr Bett. Das Gefühl der Niedergeschlagenheit
lähmte sie. War sie jemals in ihrem Leben
schon so traurig gewesen? Hatte sie sich jemals zuvor so
verraten gefühlt? Und trotzdem: Sie konnte einfach nicht
glauben, dass ihre eigene Familie sie
wirklich
so hinterging.
Warum nur, fragte sich Halva, ehe sich ihre Lider schlossen.
Ihre Augen schmerzten vom Weinen. Warum?
    In diesem Moment piepte ihr Handy.
1 neue Nachricht Kai.
Mit zitternden Fingern rief sie die SMS auf.
    Bin gerade nach Hause gekommen. Hast du alles geschafft? xx K
    Halva zögerte. Sollte sie ihm erzählen, was sie beobachtet
hatte? Nein, besser nicht. Sie musste sich erst selbst einen
Reim darauf machen. Darum tippte sie:
Ja. Todmüde jetzt. Wie
war der Film?
    Ok. Aber meine Begleitung hatte zum Kuscheln entschieden zu
viele Bartstoppeln.
    Halva musste unter ihren Tränen lachen und wischte sich
die Augen.
    Kuscheln? Wer hat so was auch im Kino vor???
    Hm. Ich?
    Bis Sonntag, Kai. Schlaf gut.
    Du auch. Träum was Süßes, Halva.
    Halva fühlte sich durch seine Nachricht mutiger und stärker.
Auch wenn sich ihre Welt gegen sie verschwor, sie hatte
immer noch Kai. Sie schlang die Arme um ihr Kissen, seufzte
noch einmal tief und schlief dann ein.

Halva konnte gar nicht oft genug Atem holen, als sie am
Sonntag nach dem Mittagessen aus der Wohnung schlüpfte.
Wie herrlich es war, aus dem Haus zu kommen! Was hatte
Mamii damals in Teheran gesagt?
Was für ein verrücktes Land,
in dem man sich drinnen freier fühlt als draußen!
    Heute war es genau anders herum. Sie hatte sich den ganzen
Morgen in der Wohnung wie gefangen gefühlt. Oder
lag das nur daran, dass es dort so beengt war? Halva dachte
kurz an Mamiis großes, altes Haus in Teheran, in dem

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