Halva, meine Sueße
Das ließ sie
sich nicht bieten! »Meine Güte, Mudi, was ist denn in dich
gefahren? Spinnst du?«
Ihr Wutausbruch gab ihr Zeit. Sollte sie lügen? Es wäre
so einfach gewesen, zu sagen: Ja, ich war mit Hannah aus.
Oder: Ich war im Kino. Oder, oder, oder … Nein, das wollte
sie nicht. Sie hatten sich in der Familie nie angelogen. Zumindest
bis vor Kurzem. Und so wollte
sie
es auch weiterhin
halten. Darum sagte sie einfach die Wahrheit, aber ihre
Stimme bebte. »Ich war mit Kai spazieren, okay?«
Mudi starrte sie an, und sie hielt seinem Blick, ohne zu
zwinkern, stand. Diese Wettbewerbe hatte sie schon als Kind
gegen ihn gewonnen – er war immer der Erste gewesen, den
es an der Nase gejuckt hatte oder der zwinkern oder lachen
musste. Doch dieses Mal blieb Mudis Gesicht so unbewegt
wie ihres.
Halva seufzte. So konnte sie nichts durchsetzen, das wusste
sie. »Was ist denn eigentlich los? Warum spielst du dich so
auf und lässt hier den großen Bruder raushängen, nur weil
ich mit Kai spazieren war? Bei dir piept's wohl!« Die Heftigkeit
ihrer Worte erstaunte Halva selbst. Doch sie konnte
nicht anders.
Mudi seufzte. Er löste seine vor der Brust verschränkten
Arme und schloss Halvas Zimmertür hinter sich, ehe er sich
zu ihr aufs Bett setzte.
Bevor er etwas sagen konnte, fragte sie ihn aufgebracht:
»Und weil wir gerade dabei sind: Weshalb konnte ich nicht
mit Kai ins Kino? Weil ich zehn Bleche Halva zubereiten
musste, die du dann in hohem Bogen in den Müll geworfen
hast?« Er sah sie erschrocken an, doch sie sprach weiter. »Ich
habe dich genau gesehen. Leugnen ist zwecklos.«
Mudi versuchte, eine betont gleichmütige Miene aufzusetzen.
»Du hattest Salz statt Zucker verwendet. Deshalb
musste ich die Bleche wegwerfen.«
Halva blieb vor Staunen der Mund offen stehen. »So ein
Blödsinn!«, stieß sie dann hervor. »Das habe ich nicht getan.
Du wolltest nur nicht, dass ich mich mit Kai treffe.«
Mudi wollte schon etwas erwidern, hielt dann aber inne
und starrte einen Moment lang nachdenklich zu Boden. Als
er wieder aufblickte, glaubte Halva so etwas wie Bedauern
in seinen Augen zu lesen. »Okay, du hast recht. Die Sache
mit der Halva war ein Vorwand. Es tut mir ja auch leid, aber
wir finden einfach, dass du Kai nicht mehr sehen solltest. Zu
deinem eigenen Besten.«
»
Wir?
Wer denn noch? Baba etwa auch? Aber warum
denn nicht?«
Mudi zuckte mit den Schultern. »Das ist jetzt nicht wichtig
und wir müssen Mama und Baba auch nicht in die Sache
hineinziehen. Ich glaube, es ist besser so. Konzentrier dich
ganz auf dein Abitur, Halva. Kai studiert bereits und er trifft
an der Uni jeden Tag viele andere Mädchen.«
»Na und? Aber doch nicht solche wie mich«, wiederholte
sie selbstbewusst Kais Worte vom See. »Ich treffe auch jeden
Tag viele andere Jungs …«
»Nicht so. Oder nicht so, wie ich es meine. Er ist einfach
schon … weiter als du. Du hast doch selber die Blondine gesehen,
mit der er am Freitagabend getanzt hat. Da bekommt
er alles, was er will, ganz einfach. Ich möchte nicht, dass
jemand mit dir spielt und dass du verletzt wirst. Und Baba
und Mama wollen das auch nicht.«
»Jetzt nennst du also doch Namen«, sagte Halva mit beißendem
Spott, doch Mudi redete unbeirrt weiter.
»Wenn es darum geht, mit jemandem zusammen zu sein,
dann können Gegensätze sich zwar anziehen, aber es ist am
besten, wenn man so viel wie möglich teilt. Kai und du, ihr
teilt so gut wie nichts, außer der Luft zum Atmen.«
»Das stimmt doch überhaupt nicht«, fuhr Halva erneut
auf. »Wir haben sogar sehr viel gemeinsam. Wir machen
beide gerne Sport, wir teilen die Liebe zur Musik und …
dich.
«
Mudi lächelte kurz, ehe er ernst wurde. »Sicher. Und
mich.« Er legte einen Arm um ihre Schulter. »Bitte, Halva.
Mach keinen Unsinn. Ich will mich nicht um dich sorgen
müssen.«
»Das musst du nicht, Mudi. Wirklich nicht. Kai behandelt
mich mit allem nur möglichen Respekt.«
»Sicher tut er das. Sonst breche ich ihm alle Knochen. Aber er ist eben auch ein Mann …«
»Mudi!«
»War nicht so gemeint. Aber ich denke, wenn du die Sache
mit Kai beenden willst, dann beende sie gleich. Lieber ein
Ende mit Schrecken …«
Halva spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich.
Schon bei dem Gedanken, Kai nicht mehr wiederzusehen,
nie mehr seine Lippen und seine Hände zu spüren, wurde
ihr übel. Sie schüttelte Mudis Arm ab. »Die Sache mit Kai
beenden? Nein. Niemals. Wir sind eins und wir gehören zusammen.
Frag ihn
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