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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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wärst. Was
weißt du denn schon darüber?«
    »Leider mehr als du, Kai. Ich habe schließlich die Revolution
im Iran damals in den Nachrichten mitverfolgt. Der
Schah war ein Diktator, aber mit den Mullahs an der Macht
ist das Land vom Regen in die Traufe gekommen. Die Scharia
wird angewendet und Hunderttausende von politischen
Häftlingen sind in den letzten dreißig Jahren dort umgekommen.
Angeblich werden auch Kinder inhaftiert und hingerichtet
…«
    »Papa!« Kai hob abwehrend die Hand. »Ich weiß Bescheid.
Halvas eigener Vater …«
    »Lass mich weitersprechen. Ich habe mal gelesen, dass
zehnjährige Mädchen vor ihrer Hinrichtung vergewaltigt
werden, weil der Koran das Töten einer Jungfrau verbietet …«
    Kai presste sich die Hände auf die Ohren. Er wollte das
nicht hören. Ihm wurde übel, wenn er an Halvas Vater dachte.
Was hatte er damals im Gefängnis erlitten? Und warum?
Halva hatte von einem Missverständnis gesprochen.
    Uli Blessing atmete hörbar aus und sagte verächtlich: »Da
hast du deine Tausende von Jahren an Kultur und Geschichte.
Lieber unschuldig als Affe auf dem Baum gehockt, als
einen solchen Hintergrund zu haben.«
    Kai lachte bitter auf. »Halvas eigener Vater saß im Gefängnis
und ist dort gefoltert worden. Ich weiß also genau,
wovon ich rede.«
    »Und weshalb saß er im Gefängnis?«
    »Wegen eines Missverständnisses«, sagte Kai und war
selbst mit dieser Antwort unzufrieden.
    Sein Vater lachte spöttisch auf. »Ein Missverständnis!
Halleluja! Natürlich. Ich glaube, bei unseren Terroristen in
Deutschland ist auch alles ein ganz, ganz großes Missverständnis.
«
    Kai musste jetzt wirklich an sich halten, um seinen Vater
nicht anzuschreien. Er kochte vor Wut. »Dir kann man es
nicht recht machen! Die Mullahs sind Mist, aber wer sich
gegen sie auflehnt – mal dahingestellt, ob Halvas Vater das
wirklich getan hat oder nicht –, wird mit Terroristen in einen
Topf geworfen! Also was denn nun? Du argumentierst wie die
BILD-Zeitung, Papa. Polemischer geht es nicht mehr. Und
was war in Deutschland los, als Oma und Opa jung waren?
Was hat dein eigener Vater in Russland gemacht? War das
kulturell und geschichtlich so wertvoll? Oder haben sie etwa
dem Widerstand angehört, wie im Nachhinein plötzlich so
viele?«
    »Das ist etwas ganz anderes. Du kannst den Iran heute
nicht mit Nazideutschland vergleichen.«
    »Und du kannst nicht behaupten, dass hier alle unschuldig
auf Bäumen gehockt haben und jetzt von oben herab über
alle anderen urteilen! In jedem von uns steckt ein Schweinehund,
das sagst du doch selber so gerne. Wenigstens hat
Halvas Familie den Iran verlassen. Sie sind offen, aufgeklärt,
westlich …«
    Kai fuhr sich durchs Haar. Er musste hier raus, sonst tat
oder sagte er noch etwas, was ihm später leidtun würde, das
spürte er. Er stand auf.
    Sein Vater musste ihm das angesehen haben, denn er hob
bittend die Hand. »Kai, geh nicht weg.«
    »Entschuldige. Ich habe noch zu tun.«
    »Was denn?«
    »Saxofon spielen.«
    »Hast du Aufnahmen?«
    »Nein, Papa. Ganz im Gegenteil. Ich gebe ein Livekonzert!
Aber das habe ich dir ja nur schon dreimal erzählt«, erwiderte
Kai mit nun kaum unterdrückter Wut und lief aus dem
Zimmer.
    Draußen im Flur lehnte er sich kurz gegen die Wand. Sein
Blick fiel auf das Bild von ihm und seiner Mutter, das unter
dem großen Spiegel stand. Wie konnte sein Vater so voller
Vorurteile sein? Er ballte die Fäuste. Am liebsten hätte er
laut geschrien.
    Kai Artus, mein Ritter in schimmernder Rüstung,
schienen die
lächelnden Augen seiner Mutter auf dem Bild zu ihm zu
sagen.
Kämpfe, Kai Artus. Um alles, was dir lieb ist.
    Mit allen Mitteln, Mama, versprach er ihr stumm. Dann lief er in sein Zimmer und holte sein Saxofon. Als er das
Haus verließ, standen die ersten Sterne am Himmel.
    Halva kam nach einem frühen Abendessen wieder in ihr Zimmer.
Was sollte sie jetzt noch machen? Weiterlesen? Irgendwie
hatte sie für die Liebesgeschichte anderer Leute keine
Nerven mehr. Seitdem sie Kai kannte, war sie Cathys und
Heathcliffs Leidenschaft gegenüber weniger aufgeschlossen.
    Sie trat ans Fenster. Im Tanzstudio schräg gegenüber
brannte Licht. Der Anblick machte Halva bessere Laune. Rübergehen
wollte sie aber auch nicht mehr. Stattdessen wählte
sie aus ihrem iPod eine Reihe von Songs aus und schlüpfte
in ihre Gymnastikhose. Die Ohrstöpsel schlossen die Welt
aus: Rayas gezwungene Geschäftigkeit am Abendessentisch,
Miryams Staunen, Mudis und Babas

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