Hanan 1 - Brüder der Erde
sollten.«
»Unsere Väter mögen sich um den alten t'Tefur kümmern. Shan steht weit unter ihnen, aber er ist es, der uns gefährlich wird. Shan und ich – wir waren Freunde. Das weißt du. Und vielleicht kannst du dir vorstellen, wie schwer es mir fällt, in ein Indras-Haus zu kommen und das zu sagen, was ich zu sagen haben. Ich vertraue dir mein Leben an, Kta.«
»Bel«, sagte Aimu erschrocken, »Elas steht hinter dir.«
»Sie hat recht«, bestätigte Kta. »Aber Kurt... mag vielleicht nichts von dieser Angelegenheit hören.«
Kurt stand auf, um zu gehen.
»Nein, er soll bleiben«, sagte Bel mit mehr Gefühl, als die Höflichkeit erforderte. »Es geht auch ihn an.«
Kurt setzte sich wieder. Bel schwieg eine ganze Weile und starrte auf seine Hände.
»Kta«, sagte er schließlich, »ich muß jetzt als Sufaki sprechen. Du weißt, daß es einmal eine Zeit gab, als wir dieses Land vom Felsen von Nephane bis zum Tamur, landeinwärts bis ins Herz von Chteftikan und ostwärts bis zur Grauen See beherrschten. Diese Zeit ist unwiederbringlich vorbei, das wissen wir. Ihr habt uns unser Land genommen, unsere Götter, unsere Sprache, unsere Bräuche. Ihr akzeptiert uns als eure Brüder nur, wenn wir aussehen und sprechen wie ihr, und ihr verachtet uns als Wilde, wenn wir anders sind als ihr. So ist es, Kta. Sieh mich an. Ich bin ein Fürst von Osanef, und ich schneide mir das Haar ab, trage Indras-Kleidung und spreche mit den klaren, runden Vokalen von Indresul wie ein guter, zivilisierter Bürger, und deshalb werde ich akzeptiert. Shan ist tapferer. Er tut, was viele von uns gerne tun würden, wenn wir das Leben zu euren Bedingungen nicht so angenehm und bequem finden würden. Ihm aber hat Elas eine Lehre erteilt, die ich nicht bekommen habe.«
»Er ist im Zorn von hier fortgegangen, aber du bist hiergeblieben. Ich habe diesen Tag nicht vergessen.«
»Ich war elf Jahre alt, Shan zwölf. Damals hielten wir es für eine große Ehre, mit einem Indras befreundet zu sein und von einer der großen Familien eingeladen zu werden. Ich war schon häufig hier gewesen, aber an jenem Tag brachte ich Shan t'Tefur mit, und zufällig war damals auch Ian t'Ilev hier. Ian machte kein Hehl daraus, daß er unser Benehmen komisch fand, und Shan verließ sofort dieses Haus. Du hast mich damals überredet, zu bleiben, da wir enger und länger befreundet waren. Von diesem Tag an sind Shan t'Tefur und ich auf mehr als eine Weise verschiedene Wege gegangen. Es gelang mir nicht, ihn umzustimmen. Am folgenden Tag versuchte ich, ihn zu überreden, sich mit dir auszusöhnen, aber er hat es abgelehnt. Er schlug mir ins Gesicht und verfluchte mich als Lakai der Indras – er drückte es mit anderen Worten aus – und hat mich von der Zeit an verachtet und gehaßt.«
»Es war ein unschöner Zwischenfall«, sagte Kta, »und ich habe Ian deswegen hart zurechtgewiesen. Mein Vater hat wegen dieser Sache sogar mit seinem Vater gesprochen. Ich versichere dir, daß er es getan hat. Ich habe es dir niemals gesagt, weil sich keine Gelegenheit dazu fand.«
»Hätte sich eine Gelegenheit dazu gefunden, wenn ich Indras wäre, Kta?«
Kta runzelte die Stirn und blickte verlegen zu Boden. »Wenn du Indras gewesen wärst, Bel, wäre dein Vater voller Zorn zu Elas gekommen, und ich hätte mich mit meinem Vater auseinandersetzen müssen. Ich habe der Angelegenheit damals keine zu große Bedeutung beigemessen, da unsere Bräuche verschieden sind. Aber die Zeiten ändern sich. Du wirst bald zu Elas gehören. Zweifelst du daran, daß wir gerecht zu dir sind?«
»Ich zweifle deine Freundschaft nicht an«, sagte er und blickte zu Aimu hinüber. »Die Zeiten haben sich wirklich geändert, wenn ein Sufaki eine Indras heiraten kann, während er früher nicht in den
rhmei
gelassen wurde, wo er die Töchter einer Familie kennenlernen konnte. Und doch gibt es noch immer Diskriminierungen, Kta. Wir versuchen Geschäftsleute zu sein und werden ständig von dem Kombinat der großen Indras-Häuser ausmanövriert und überboten. Informationen werden von Herd zu Herd weitergegeben, in einem Kommunikationssystem, zu dem wir keinen Zugang haben. Wenn wir zur See fahren, dann stehen wir unter dem Kommando von Indras-Kapitänen, so wie ich unter dir stehe, mein Freund, weil wir nicht genügend Vermögen besitzen, um Kriegsschiffe unterhalten zu können, und selbst für ein Handelsschiff reicht unser Geld meistens nicht aus. Ein Mann wie Shan – der anders ist als wir, der
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