Hand aufs Glück: Mittsommerherzen (German Edition)
„Wir haben schon eine Menge von Ihnen gehört.“
Sabrina nickte knapp. „Ich hoffe, nur Gutes. Aber darf ich fragen, was dieser Ansturm zu bedeuten hat? Hat sich Dalarna in den vergangenen Jahren so sehr verändert, dass man geschäftliche Angelegenheiten hier nicht mehr wie zivilisierte Menschen regelt?“
„Wir wollen unser Geld!“, rief ein bärtiger, grob aussehender Kerl aus der hinteren Reihe. „Wir lassen uns nicht mehr mit faulen Ausreden vertrösten! Es ist Zahltag!“
Sie spürte, wie alle Anwesenden sie teils forschend, teils argwöhnisch musterten. Offensichtlich versuchten die Männer sie einzuschätzen, um herauszufinden, wie sie vorgehen würde. Aber sie schienen wild entschlossen, nicht ohne ihr Geld – oder wenigstens einen Teil davon – nach Hause zu gehen.
Sabrina räusperte sich. „Meine Herren, wie Sie sicher bereits wissen, liegt mein Vater zurzeit im Krankenhaus. Die Ärzte erlauben es ihm nicht, sich mit geschäftlichen Angelegenheiten zu befassen, deshalb habe ich in der Zwischenzeit die Leitung des Unternehmens übernommen.“
„Dann geben Sie uns eben unser Geld!“
„So einfach ist es leider nicht“, erwiderte sie. „Ich habe die Buchhaltung in einem ziemlichen Durcheinander vorgefunden.“ Aufgeregtes Gemurmel wurde laut, als die Männer begriffen, worauf Sabrinas Rede hinauslaufen würde. „Bitte, ich kann Sie ja verstehen, meine Herren. Aber geben Sie mir doch die Chance, mir zuerst einen groben Überblick zu verschaffen.“
„Aber wir warten schon so lange!“, protestierte einer der Männer. Ein anderer, ein Kerl mit rundem Bauch und einem gezwirbelten Schnurrbart, legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Reg dich nicht auf, Petter, es hat ja doch keinen Zweck. Komm, lass uns verschwinden. Du siehst ja, dass hier im Moment nichts zu holen ist!“
Zu Sabrinas Überraschung schaltete sich nun auch Jonas ein. „Die meisten von Ihnen arbeiten doch schon lange mit
Ahlström Hemslöjdforening
zusammen“, wandte er sich an die Männer. „Gab es in all der Zeit niemals eine Situation, in der Sigmund Ahlström Ihnen einen Gefallen getan hat? Für Lieferschwierigkeiten Verständnis hatte zum Beispiel, oder vielleicht hat er einen großzügigen Vorschuss gezahlt? Können Sie da nicht seiner Tochter gegenüber heute auch ein wenig nachsichtig sein?“ Die Männer senkten, einer nach dem anderen, den Blick. „Auf ein paar Tage mehr oder weniger kommt es doch nun auch nicht an, oder, meine Herren?“
„Das sagen Sie so einfach“, erwiderte Petter hitzig. „Aber Ihnen reißt Ihre Frau auch nicht den Kopf ab, wenn Sie ohne Geld nach Hause kommen. Meine Krista kennt da keine Gnade!“
Allgemeines Gelächter erklang, und Sabrina atmete erleichtert auf. Sie hatte bereits befürchtet, die Situation könnte eskalieren, doch zum Glück war es so weit nicht gekommen. Und das hatte sie nicht zuletzt Jonas zu verdanken. Doch darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
Begeistert waren die Männer natürlich nicht, dass sie unverrichteter Dinge wieder gehen mussten, dennoch blieben sie, abgesehen von leisem Murren und Knurren, verhältnismäßig ruhig.
Als sie weg waren, drehte Sabrina sich zu Jonas um. „Warum mischen Sie sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen?“
Er blinzelte überrascht. „Wie bitte? Ich wollte nur helfen – und das ist der Dank?“
„Dank erwarten Sie, ja?“ Sie trat einen Schritt näher auf ihn zu. „Die Gläubiger meines Vaters tauchen völlig unangekündigt hier auf und verlangen auf der Stelle ihr Geld – und Sie waren einfach nur
rein zufällig
in der Nähe?“
Jonas maß sie mit einem kühlen Blick. „Wollen Sie damit andeuten, ich hätte etwas mit diesem Menschenauflauf zu tun?“
„Stellen Sie sich nicht so dumm, das kaufe ich Ihnen nicht ab. Sie haben mich vor dem Büro des Bankdirektors gesehen und konnten sich denken, dass ich ihn um einen Zahlungsaufschub bitten wollte. Und nur für den Fall, dass mir das gelingt, haben Sie diese Männer aus dem Dorf zusammengetrommelt, um sie gegen mich aufzuhetzen.“ Sie sah, wie er erbleichte. „Na? Wie nahe komme ich der Wahrheit? Oder habe ich sogar ins Schwarze getroffen?“
„Und warum hätte ich dann für Sie Partei ergreifen sollen?“
„Damit ich Ihnen nicht auf die Schliche komme. Aber bilden Sie sich nicht ein, dass ich mich so leicht hinters Licht führen lasse!“
„Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich zu solchen Methoden greifen würde!“
„Ach nein?
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