Hand aufs Glück: Mittsommerherzen (German Edition)
Und was ist mit dem Kuss im Wald? Wollten Sie mich damit nicht auch beeinflussen? ‚Die Ahlström frisst mir bald aus der Hand‘, das waren doch Ihre Worte, nicht wahr?“
Kaum hatte Sabrina sie ausgesprochen, bereute sie ihre harschen Worte auch schon wieder. Sie sah, wie seine Miene sich schlagartig verfinsterte. War sie zu weit gegangen?
„So denken Sie also über mich?“ Als sie nichts erwiderte, nickte er. „Also schön. Nun, ich kann Ihnen versichern, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird. Aber Sie sollten nicht vergessen: Zu einem Kuss gehören immer noch zwei.“
Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging zum Gästehaus zurück. Sabrina blickte ihm lange hinterher, selbst als er längst im Gebäude verschwunden war. Er hatte schon recht: Sie war ebenso an diesem verfluchten Kuss beteiligt gewesen wie er. Der Unterschied war allerdings, dass Jonas von Habgier und Berechnung angetrieben wurde, sie hingegen … Nun, vielleicht ließ es sich am besten als vorübergehender Anfall von charakterlicher Schwäche bezeichnen.
Ob Jonas tatsächlich dafür verantwortlich war, dass die Gläubiger ihres Vaters hier aufgetaucht waren? Sabrina wusste es nicht. Im ersten Augenblick war ihr dieser Verdacht äußerst logisch und sehr naheliegend erschienen. Aber wirklich sicher sein konnte sie sich nicht.
Sie kehrte ins Haus zurück, doch das leise Gefühl von Enthusiasmus, das sie nach dem Gespräch mit dem Bankdirektor verspürt hatte, war verflogen.
Die steile Falte, die sich nach seinem Streit mit Sabrina auf Jonas’ Stirn gebildet hatte, wollte einfach nicht mehr verschwinden. Er ging ins Badezimmer, ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und tauchte sein Gesicht hinein. Doch als er kurz darauf prustend wieder auftauchte und einen Blick in den Spiegel warf, war sie noch immer da.
Förbannat, Sabrina …
Verdammt! Er konnte es einfach nicht fassen. Diese Frau unterstellte ihm die miesesten Praktiken, dabei wusste sie doch so gut wie gar nichts über ihn!
Jonas liebte seinen Beruf. Er hatte allerdings eine Weile gebraucht, um das zu begreifen und sein Studium zum Leidwesen seines Vaters nicht immer ernst genommen. Sein alter Herr und er waren deshalb oft in Streit geraten. Jonas hatte nicht einsehen wollen, dass der Beruf des Anwalts Ernsthaftigkeit, Disziplin und absolute Prinzipientreue voraussetzte. Erst der Tod seines Vaters hatte ihm die Augen geöffnet. Von jenem Tag an war er nicht mehr derselbe gewesen wie zuvor. Er stürzte sich mit Feuereifer in sein Studium; Partys und Frauengeschichten, wie sie vorher für ihn an der Tagesordnung gewesen waren, interessierten ihn nicht mehr.
Heute konnte Jonas von sich behaupten, dass er den Maximen seines Vaters stets treu geblieben war. Er war nicht die Sorte Anwalt, die den Verlockungen des schnellen Geldes erlagen, und es gehörte zu seinen ehernen Grundsätzen, sich niemals auf irgendwelche dubiosen Machenschaften einzulassen. Und nun setzte ausgerechnet Sabrina – eine Frau, die er erst so kurze Zeit kannte – ihn mit all den Rechtsverdrehern und Winkeladvokaten gleich, die er sein ganzes Leben lang verachtet hatte.
Vielleicht hätte ihn der Vorwurf nicht einmal so sehr getroffen, wäre in den letzten Tagen die Versuchung nicht tatsächlich immer größer geworden, gegen seine eigenen ungeschriebenen Gesetze zu verstoßen. Es musste ihm irgendwie gelingen, seinen Auftrag zu einem positiven Abschluss zu bringen, die Zukunft seiner Kanzlei hing davon ab.
War das Grund genug, ein einziges Mal seinen eigenen strengen Ehrenkodex ein wenig zu beugen?
Er verließ das Badezimmer. Sein Blick fiel auf den Schreibtisch, auf dem gut ein halbes Dutzend Schuldscheine lagen, die er in den vergangenen Tagen einigen Gläubigern von
Ahlström Hemslöjdforening
abgekauft hatte.
Es war ihm als eine gute Idee erschienen, die Forderungen zu übernehmen, um Sabrina damit unter Druck setzen zu können. Umso mehr lösten ihre Vorwürfe nun ein vollkommen irrationales Schuldgefühl in ihm aus.
Er fühlte sich von ihr ertappt, obwohl er bislang nicht mehr getan hatte, als über die Möglichkeit nachzudenken, die Schuldscheine als Druckmittel einzusetzen. Dabei konnte es ihm eigentlich vollkommen egal sein, was sie von ihm hielt – doch das war es nicht.
Es ließ sich kaum länger verleugnen, dass er sich weit stärker zu ihr hingezogen fühlte, als gut für ihn war. Er wollte Sabrina nicht begehren, sträubte sich mit aller Kraft gegen derartige Gefühle, sobald sie
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