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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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zehn Jahren getan hat. Für Geld gearbeitet hat sie auch nicht, soviel man weiß. – Sie sehen, es ist noch manches Rätsel bei der Sache zu lösen, dem Sie als Detektiv gewiß auch gern nachspüren würden.
    So haben Sie nichts dagegen, wenn ich dem Coroner behilflich bin, im Falle er meinen Beistand braucht?
    Nicht das mindeste, erwiderte der Bezirksanwalt verbindlich, indem er sich zum Gehen anschickte.
    Er war kaum fort, als der Coroner ins Zimmer trat. Ich habe Ihretwegen nach Neuyork telegraphiert, sagte er, und erwarte jeden Augenblick einen günstigen Bescheid. Der Inspektor, der mein Freund ist, wird meinen ausdrücklichen Wunsch sicher erfüllen. Morgen soll nun das eigentliche Zeugenverhör beginnen, aber der Hauptzeuge fehlt uns noch immer. – Um halb zwölf hat der Milchmann das Haus der Ermordeten verlassen, und es muß ein Zeuge aufzutreiben sein, der gesehen hat und eidlich bekräftigen kann, daß sich zwischen dieser Zeit und dem Augenblick, da Orkutt die Witwe sterbend am Boden liegen fand, irgendein Mensch dem Hause genähert oder dasselbe betreten hat. Um zu dem Hoftor zu gelangen, mußte der Täter an allen sechs Häusern vorübergehen, die an der Straße gelegen sind. Irgendein Bewohner derselben, Mann, Weib oder Kind, wird doch wohl seiner ansichtig geworden sein.Die meisten, die ich befragt habe, sind freilich gerade bei Tische gewesen, oder in der Küche mit dem Anrichten des Essens beschäftigt; doch ist der Hausierer von Verschiedenen bemerkt worden, unter andern von zwei Frauen, die bereit sind, zu beschwören, daß sie gesehen haben, wie er um das Haus herum bis zur Küchentür gegangen und dann wieder umgekehrt ist. So läßt sich doch annehmen, daß jemand auch den andern Menschen erblickt haben wird, der wenige Minuten vor dem Hausierer des Weges gekommen sein muß. Wir dürfen kein Mittel unversucht lassen, einen solchen Zeugen zu entdecken, und es wäre mir von großem Nutzen, wenn Sie mir dabei behilflich sein wollten.
    Aber, warf der Detektiv ein, muß denn der Mörder notwendigerweise von der Straße hereingekommen sein? Kann er das Haus nicht durch die Hintertür betreten und sich so den Blicken der Nachbarn entzogen haben?
    Schwerlich; dort ist kein gangbarer Pfad, nur eine Strecke Sumpfland, das mühsam zu überschreiten ist. Jemand, dem es dringend darauf ankommen muß, unentdeckt zu bleiben, würde zwar die Hindernisse des Weges überwinden können, doch scheint mir diese Anstrengung unwahrscheinlich für einen Menschen, der die Mittagsstunde zu seiner Mordtat wählt. Jedenfalls müssen wir zuerst feststellen, daß in jener verhängnisvollen halben Stunde niemand auf dem gewöhnlichen Wege in das Haus der Witwe gegangen ist.
    Welchen Grund gibt denn der Hausierer dafür an, daß er an der Küchentür wieder umgekehrt ist?
    Er sagt, er habe drinnen einen heftigen Wortwechsel gehört.
    Wirklich! – Hat er auch nähere Angaben gemacht, welcher Art die Stimmen waren?
    Nein; das würde auch nicht viel nützen. Er ist ein stumpfer, unwissender Mensch, der kaum die Sprache einesGebildeten von der eines Steinklopfers würde unterscheiden können; zudem raubt ihm jetzt die Angst alle Ueberlegung.
    Hier wurde das Gespräch durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen. Ein Bote brachte das erwartete Telegramm aus Neuyork. Während Tredwell es las, verfinsterte sich seine Miene; er reichte es Byrd hin und sagte mit unverhohlenem Verdruß: Das kommt mir sehr ungelegen! Der Inspektor scheint wenig geneigt, meine Wünsche zu beachten.
    Errötend las Byrd folgende Worte:
    »Erwarten Sie den geeigneten Mann mit dem Nachtzug. Er bringt einen Brief.«
    Sie sehen, ich hatte recht, daß ich nicht für das Geschäft tauge, sagte der junge Detektiv betreten.
    Doktor Tredwell stand auf. Das ist noch keineswegs ausgemacht, erwiderte er. Jener Abgesandte des Inspektors mag noch so scharfsichtig und erfahren in seinem Beruf sein, ich bin doch überzeugt, daß Sie mir in diesem Fall bessere Dienste geleistet haben würden.
    Ich danke Ihnen für Ihre gute Meinung, versetzte Byrd, jenen zur Tür begleitend. Der Inspektor weiß schon, was er tut; ich bin noch wenig gewöhnt, selbständig zu handeln. Sie sahen ja, ich hatte gleich das Gefühl, als ob ich den Fall nicht übernehmen dürfe. Es ist mir lieb, daß ich die Verantwortlichkeit nicht zu tragen habe.
    Als der Coroner sich entfernt hatte, und Byrd die Angelegenheit noch einmal überdachte, empfand er doch – er wußte nicht recht warum – eine

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