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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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der sich Orkutt wohl begnügt hätte, wäre er nicht, wie schon erwähnt, überzeugt gewesen, daß der Ringbereits am Boden in dem Zimmer gelegen hatte, ehe Imogen es betrat. Dieser entschiedene Beweis ihrer Unwahrhaftigkeit war für ihn ein schwerer Schlag.

    Doch sagte er sich, daß sie vielleicht ein Eigentumsrecht an dem Ringe haben könne – so unwahrscheinlich dies auch erschien –, ohne deshalb irgend welche Kenntnis von dem Verbrechen zu besitzen. Von dieser Hoffnung erfüllt, wagte er noch einen letzten Versuch.
    Imogen, nur noch ein Wort; mir ist die Angelegenheit zu wichtig, um so schnell darüber hinwegzugehen. Sagen Sie mir nur das eine : hat das Geheimnis, das Sie in Ihrer Brust bergen und das Sie veranlaßte, meine Werbung so aufzunehmen, wie Sie taten, irgendwelche Beziehung zu jenem Verbrechen? Kann es sich trennend zwischen mich und Sie stellen? – Ich frage nicht, weil ich selbst Zweifel hege, fügte er schnell hinzu, als er den Ausdruck verletzten Stolzes in ihren Blicken las, sondern weil Leute, welche unglücklicherweise Zeugen Ihres seltsamen, aufgeregten Benehmens waren, die Andeutung gewagt haben, daß Ihre heftige Erregung nur aus einer geheimen Mitwissenschaft des Verbrechens, aus einer Kenntnis des Täters entspringen könne.
    Er hielt inne, atemlos auf eine Erwiderung harrend, die jedoch nicht erfolgte.
    Antworten Sie mir, Imogen – haben jene Menschen recht – ja oder nein?
    Sie sah ihm mit ihren großen tiefen Augen voll ins Gesicht; es lag bitterer Seelenschmerz in dem Blick, aber auch ein stolzes Selbstgefühl, wie es nur die Wahrheit verleiht.
    Nein, sagte sie.
    Ohne ein weiteres Wort verließ sie geräuschlos das Zimmer.
    *
    Am nächsten Morgen nahm Byrd drei Briefe in Empfang. In dem ersten zeigte ihm der Coroner an, daß die Witwe Klemmens um Mitternacht sanft entschlafen sei. Der zweite enthielt einige flüchtige Zeilen von Herrn Ferris, der ihn aufforderte, den heutigen Tag zu benutzen, um eine gewisse dringende Angelegenheit in der benachbarten Stadt zu erledigen. Der dritte war eine Zuschrift des Rechtsanwalts Orkutt, welche also lautete:
    »Geehrter Herr!
    Nachdem ich mit der betreffenden Person über die bewußte Sache gesprochen habe, versichere ich auf mein Ehrenwort, daß sie keinerlei Kenntnis irgendwelcher Tatsachen besitzt, von denen die Behörden unterrichtet werden sollten.
    Tremont B. Orkutt.«

Fünftes Kapitel.
    Horaz Byrd stammte aus einer angesehenen, gebildeten Familie. Im Wohlstand aufgewachsen, hatte er sich von Kindheit an mit der Hoffnung geschmeichelt, dereinst in den Besitz eines beträchtlichen Vermögens zu gelangen. Allein der frühzeitige Tod seines Vaters machte diesen stolzen Erwartungen plötzlich ein Ende. Als Horaz zwanzig Jahre alt war, sah er sich auf sich selbst angewiesen, ohne Mittel, ohne Beruf, ja, was noch weit schlimmer war, ohne an regelrechte Arbeit und Anstrengung gewöhnt zu sein. Und doch sind für den Menschen die eigenen Kräfte oft weit bessere Helfer in der Not, als Freunde und Geld.
    Nicht nur seinen eigenen Unterhalt hatte er jetzt allein zu bestreiten; er sollte auch eine kränkliche Mutter und zwei jüngere Schwestern unterstützen, an denen er mit zärtlichster Liebe hing. Zwar standen ihnen freundliche Verwandte zu Anfang mit Rat und Tat bei, so daß er sich der schlimmsten Sorge überhoben sah, doch erkannte der junge Mann es für seine Pflicht, der Versorger seiner Familie zu werden, und machte sich voll Mut und Hoffnung an die Aufgabe, sich nach einer passenden Beschäftigung umzusehen.
    Nun folgte eine lange Reihe von Enttäuschungen, wie sie dem Unerfahrenen nicht erspart bleiben, der sich hatträumen lassen, ein gutes Gehalt oder eine angenehme Stelle seien für jeden zu haben, der nur die Hand danach ausstrecken wolle. Alle Versuche schlugen fehl, kein Wunsch ging in Erfüllung, eine Hoffnung nach der andern ward zuschanden. Allmählich begnügte er sich infolgedessen mit bescheidenen Ansprüchen und war bereit, jedes Anerbieten mit Freuden anzunehmen, das ihm ermöglichte, seine Lieben vor Not und Entbehrung zu schützen.
    Der Zufall führte ihn um diese Zeit mit dem berühmten Neuyorker Detektiv Gryce zusammen, der in dem hochgebildeten jungen Mann, welcher sich in so übler Lage befand, Zeichen einer natürlichen Begabung für die »feinere Arbeit«, wie er es nannte, zu entdecken glaubte. Gryce war sehr erfreut über seinen Fund, da er schon lange danach gestrebt hatte, sich mit einer Persönlichkeit aus

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