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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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haben. Ein breitkrempiger Hut mit zwei Federn, die nach der Seite überfielen, eine Reisetasche, zwei Falbeln am Rock. Und das Gesicht! – Ja, hübsch, sehr hübsche große Augen, eine gerade Nase, ein entschlossener Mund, die heftigste Aufregung im Ausdruck. – Aber Sie sind ja ein Tausendkünstler – nein, so etwas hätte ich nicht für möglich gehalten – die Aehnlichkeit ist ganz sprechend!
    Byrd hatte die Zeichnung mit festen, sichern Strichen auf das Papier geworfen. Das Lob des andern machte ihn erröten, er beugte sich tiefer über sein Werk.
    Und der Mann, sagte er, wie sah er aus, jung oder alt?
    Etwa fünfundzwanzig sollte ich meinen; mittelgroß, von kräftigem gedrungenem Körperbau und wahrhaft herkulischenGliedern; er trug einen Schnurrbart, hatte sehr ausdrucksvolle Züge und blitzende Augen. Lassen Sie sehen, ob Sie ihn ebensogut treffen können wie die Dame.

    Aber das ging nicht so leicht; der Bleistift bewegte sich
    mit weit weniger Sicherheit als vorher, und es dauerte lange, bis nur die Gestalt des Unbekannten zur Zufriedenheit gelang. Das Gesicht bot neue Schwierigkeiten, bald war das Kinn zu spitz, bald zu breit und erst die Haarlocke über der Stirn machte es einigermaßen ähnlich.
    Byrd kam es übrigens weniger darauf an, die Züge genau zu treffen, als die Gestalt und Kleidung des Herrn so richtig wiederzugeben, als dies anging. Die Skizze mußte doch im ganzen sehr wohl gelungen sein, denn der junge Mensch, der die Anleitung dazu gegeben hatte, konnte sie nicht genug bewundern.
    Nachdem Byrd das fertige Bild in die Tasche gesteckt hatte, plauderte er noch eine Weile bei einem Glase Bier gemütlich mit seinem Gefährten; dabei beobachtete er abermals den fremden Herrn, der noch immer unverwandt in seine Zeitung starrte. Als der Detektiv bald darauf das Gastzimmer verließ, belehrte ihn ein schneller Blick im Vorbeigehen, daß es der Anzeigenteil des »Herald« sei, dem jener so große Aufmerksamkeit schenkte.
    Sonderbar, dachte er bei sich, er liest also nicht, sondern ist mit eigenen Gedanken beschäftigt. Die müssen auch nicht angenehmer Art sein, nach seiner Miene zu urteilen.
    Auf seinem Zimmer angelangt, zog Byrd die Skizze aus der Tasche und betrachtete sie lange und nachdenklich. Sie stellte den Augenblick dar, als die beiden, einander zuerst erblickend, unwillkürlich zurückschrecken. Fräulein Dares Bild mußte sich ihm tief eingeprägt haben, sonst hätte er nicht vermocht, es aus dem Gedächtnis so sprechend ähnlich wiederzugeben. Sie war es, wie sie leibte und lebte, ihre Gestalt, ihr Gesicht, ihr Ausdruck. Der Auftritt im Bahnhof zu Syrakus hatte also offenbar ihre schleunige Rückkehr veranlaßt, die ihm so unerklärlich geschienen. Was aber hatte dieser Auftritt selbst zu bedeuten? Wer war der Mann, den sie suchte und doch floh? – Warum hatte Grauen und Todesschrecken die beiden ergriffen, als sie sich trafen und Auge in Auge gegenüberstanden? Sie schienen doch die Absicht gehegt zu haben, einander aufzusuchen?
    Aber was ging ihn das alles im Grunde an? – Erhatte ja hier am Ort überhaupt bald nichts mehr zu schaffen. Das beste war, er schlug sich die ganze Sache aus dem Sinn. Die Skizze gedachte er als Andenken aufzubewahren und barg sie sorgfältig in seinem Notizbuch.

Siebtes Kapitel.
    Als Byrd am andern Morgen erwachte, klangen ihm noch Worte in den Ohren, die, wenn er nicht geträumt hatte, in später Nachtzeit vor seiner Zimmertüre gesprochen worden waren.
    Er hatte den Tonfall genau unterschieden, die Stimme des Hotelwirts erkannt, auch ein Geräusch von Fußtritten vernommen, als ob jener einen Gast durch den Korridor nach seinem Zimmer geleite; weiter war ihm nichts erinnerlich. Die Worte aber lauteten: »Freue mich, Sie wieder zu sehen! Es hat Sie gewiß überrascht, daß der Mord so bald nach Ihrem letzten Besuch verübt wurde. Ein beklagenswerter Vorfall und höchst geheimnisvoll. Sie kommen vielleicht, um Auskunft zu geben?«
    Hatte er die Worte wirklich gehört, so konnten sie nur dem großen blonden Herrn gegolten haben, demselben, der im Gastzimmer scheinbar so eifrig die Zeitung las. Byrd fragte sich, ob er nicht in dem Wirt den Hauptzeugen gefunden habe, nach welchem der Coroner so eifrig suchte. – Am Ende war aber doch alles nur ein Traum gewesen: die Mordgeschichte ließ ihm ja im Wachen keine Ruhe, da war es leicht möglich, daß sie ihn auch im Schlafe verfolgte.
    Er behielt nicht lange Zeit, sich mit Zweifeln zu quälen. Zu seiner

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