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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kathrine Green
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    Bei der Erwähnung des Namens Emilie dachte Byrd an den unvollendeten Brief. –
    Ihre Geburtsstadt und jetziger Wohnort?
    Ich bin in Danbury geboren und lebe jetzt mit meiner bejahrten Mutter in Utika als Schneiderin.
    Wie sind Sie mit der Frau Klemmens verwandt, die vor zwei Tagen hier ermordet wurde?
    Ihre Großmutter und meine Mutter waren Schwestern, lautete die Antwort.
    Auf welchem Fuße standen Sie mit ihr, und was können Sie über ihre sonstigen Verwandten und Bekannten berichten?
    Wir sind von Kindheit an befreundet gewesen. Ihre überlebenden Verwandten sind erstens meine Mutter, zweitensbin ich, wie bereits gesagt, in Utika wohnhaft, wo ich für das Kleidergeschäft der Madame Trebelle arbeite, und drittens der Sohn ihres Lieblingsbruders. Diesen Neffen hat sie von jeher unterstützt und häufig die Absicht kundgetan, ihm einst ihre Ersparnisse zu hinterlassen.
    Wie heißt der Neffe und wo wohnt er?
    Sein Name ist Mansell – Craik Mansell, er ist in der großen Papierfabrik von Harrison, Goodman & Chamberlain in Buffalo angestellt. –
    Byrd fuhr unwillkürlich zusammen; er horchte mit verdoppelter Aufmerksamkeit. –
    Kennen Sie den jungen Mann? fuhr der Coroner in feinem Verhör fort.
    Ja, er ist im Lauf der letzten fünf Jahre mehrmals in unserm Hause gewesen.
    Wissen Sie uns etwas über seinen Charakter, seine Gemütsart mitzuteilen, sowie über die Gesinnung, welche er gegen die Tante hegte, deren Erbe er werden sollte?
    Craik Mansell ist verschlossen und zurückhaltend von Natur, er ist nicht leicht zu ergründen. Ich habe ihn aber stets für einen ehrenwerten begabten Menschen gehalten, der es noch einmal zu etwas bringen wird, wenn man ihn seine eigenen Wege gehen läßt. Für die Tante muß er natürlich Dankbarkeit empfunden haben, aber es liegt nicht in seiner Art, besonders zärtliche Gefühle zu äußern.
    Sie haben jedoch keinen Grund anzunehmen, daß er gegen seine Wohltäterin feindlich gesinnt war oder ein übergroßes Verlangen nach ihrem Gelde trug? warf der Coroner wie beiläufig hin.
    O nein. Die beiden waren zwar häufig entgegengesetzter Meinung, wie das bei entschiedenen Charakteren leicht vorkommt, aber ich wüßte nicht, daß sie das je gegen einander erbittert hätte. Von seinen Aussichten habe ich ihn niemals sprechen hören, jedenfalls hätte er das unter seinerWürde erachtet. Er hat ein starkes Selbständigkeitsgefühl, wie das bei einem Mann von so ungestümer Gemütsart und großer Körperkraft kaum anders zu erwarten ist.
    Byrd fiel seine Skizze ein; er hätte gern noch mehr über den Neffen erfahren, der ihn ungewöhnlich zu interessieren begann, aber des Coroners Verhör nahm eine andere Wendung.
    Wenn Sie demnach Frau Klemmens genau gekannt haben, sagte er, und mit ihr auf freundschaftlichem Fuße standen, so sind Sie gewiß auch ihre Vertraute in Sorgen und Kümmernissen gewesen?
    Ja – das heißt so weit meine Cousine sich überhaupt irgend jemand anvertraute. Sie klagte nicht gern und war von Natur nicht gerade mitteilsam. Sie hat öfters mir gegenüber geäußert, ich sei die einzige, der sie zuweilen ihr Herz ausschütte.
    Dann werden Sie uns ihre Geschichte erzählen und uns erklären können, warum sie stets so zurückgezogen gelebt hat?
    Frau Klemmens' Lebensgeschichte ist sehr einfach; aber warum sie sich von allem Verkehr abschloß, hat man nie erfahren. Als Mädchen war sie heiter und lebhaft und liebte die Geselligkeit.
    Ist sie vielleicht von irgendeinem schweren Kummer betroffen worden, der ihr das Leben verbittert hat?
    Möglich, daß der Tod ihres Mannes sie so menschenscheu gemacht. Seit sie ihn verlor, war ihr Wesen ganz verändert.
    Und wie lange ist das her?
    Volle fünfzehn Jahre.
    Haben Sie Herrn Klemmens gekannt?
    Nein, die Hochzeit fand in einem kleinen Ort im Westen statt, und er starb schon, ich glaube, einen Monat darauf; sie war, nach ihren Briefen zu urteilen, damals ganz untröstlich;wir machten uns Sorge um sie und wollten sie gern in unserer Nähe haben, doch weigerte sie sich, zu ihren Verwandten zu ziehen. Als sie sich bald darauf entschloß, nach dem Osten zu kommen, wählte sie Sibley zum Aufenthalt, wo sie seither gewohnt hat.
    Der Coroner nahm jetzt eine sehr ernste Miene an. Fräulein Firman, sagte er mit Nachdruck, ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, daß Ihre Cousine vielleicht aus geheimer Furcht das Einsiedlerleben wählte, das sie geführt hat?
    Die Zeugin sah betroffen auf; in der Menge aber ward abermals jene

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