Hand und Ring
ihm nicht helfen Wollte, wahrend sie doch die Mittel dazu besaß. Mein dringendster Wunsch ging dahin, daß ihm Gelegenheit geboten würde, sein Genie ungehindert zu entfalten.
Hatten Sie vor jener Zusammenkunft schon Geschenke von dem Gefangenen erhalten, Schmuck oder dergleichen?
Nein, niemals.
Gab er Ihnen jetzt irgendein Andenken?
Ja, einen Diamantring.
Nahmen Sie ihn an?
Nein; ich hätte mich dadurch für gebunden gehalten, und das war noch nicht an der Zeit.
Steckte er Ihnen den Ring an den Finger?
Ja, aber ich zog ihn wieder ab.
Was sagten Sie dabei?
Ich weiß es nicht mehr.
Ferris erinnerte sich an den Bericht der alten Sally.
Sagten Sie: »ich kann warten bis morgen« – und als er dann fragte: »warum bis morgen?«, antworteten Sie da: »über Nacht hat sich schon manches geändert«?
Ja, ich glaube.
Was hatten diese Worte zu bedeuten, Fräulein Dare?
Ich erhebe Einspruch gegen die Frage, sagte Orkutt, sich schnell erhebend. Ohne daß es sonst jemand bemerkte, hatte er von dem Angeklagten einen leisen aber dringenden Wink erhalten.
Der Bezirksanwalt ließ sich nicht beirren.
Meiner Ansicht nach habe ich das Recht, die Frage zu stellen, behauptete er.
Orkutt beharrte jedoch auf seinem Widerspruch, und der Gerichtshof pflichtete ihm bei.
Während Ferris noch bemüht war, der beanstandeten Frage eine neue Wendung zu geben, ward dem Zwischenfall durch die Zeugin selbst ein Ende gemacht; sie sprach unaufgefordert:
Meine Herren, ich kann ohne Bedenken die Bedeutung der Worte erklären: meine Absicht war, Frau Klemmens, die ich noch nicht kannte, am nächsten Tage aufzusuchen. Durch meine Fürsprache hoffte ich sie zugunsten ihres Neffen umzustimmen.
Die freiwillige Erklärung, in aller Einfachheit und Offenherzigkeit vorgebracht, blieb nicht ohne Wirkung auf die Geschworenen, auch Orkutts umwölkte Stirn erheiterte sich, nur Mansell verzog keine Miene. Für Ferris war die bereitwillige Antwort der Zeugin ein kleiner Triumph, der ihn sichtlich erfreute; in seinem Verhöre fortfahrend, fragte er:
Was erwiderte der Gefangene auf Ihre Bemerkung, daß sich über Nacht manches ändere?
Er stimmte mir bei.
Sie sagten, daß Sie ihm den Ring zurückgaben; haben Sie ihn in seine Hand gelegt, Fräulein Dare?
Nein, nicht in die Hand; ich ließ ihn in seine Tasche gleiten.
Hier stieß Hickory den neben ihm sitzenden Byrd an. Haben Sie das gehört? flüsterte er.
Ja, es klingt höchst wundersam, gab dieser zurück.
Unglaublich, bestätigte der andere.
Dem Bezirksanwalt war keinerlei Ueberraschung anzumerken.
Sie ließen den Ring in seine Tasche gleiten? Warum taten Sie das?
Ich wollte dem Streit ein Ende machen, der infolgemeiner Weigerung, das Andenken zu nehmen, entstand, daher gab ich es auf diese Weise zurück.
In welche seiner Taschen steckten Sie den Ring?
In die linke äußere Rocktasche, erwiderte sie mit Bestimmtheit.
Bei diesen Worten sah der Angeklagte zu Boden; um seine Lippen zuckte es halb schmerzlich, halb verächtlich.
Sahen Sie den Ring noch einmal während Ihrer Unterredung? Bemerkten Sie, ob der Angeklagte ihn aus der linken Rocktasche herausnahm, so lange Sie bei ihm waren?
Nein.
So befand der Ring sich also Ihres Wissens noch in seiner Tasche, als Sie sich trennten?
Ja.
Und haben Sie ihn seitdem wiedergesehen?
Ja.
Wann und wo?
Am Tage des Mordes. Er lag auf dem Boden in Frau Klemmens' Eßzimmer. Als ich von dem Mordanfall hörte, eilte ich in der ersten Ueberraschung nach dem Hause der Witwe; bei Besichtigung des Tatorts sah ich den Ring vor mir auf dem Boden liegen.
Erkannten Sie ihn sogleich wieder?
Ich glaubte es; als ihn dann ein Herr aufhob und fragte, ob er mir gehöre, erkannte ich ihn bestimmt.
Was taten Sie, als Sie den Ring zuerst am Boden liegen sahen?
Ich setzte den Fuß darauf.
Zu welchem Zweck?
Es geschah unwillkürlich.
Weshalb zogen Sie den Fuß wieder zurück?
Aus Ueberraschung. Es klopfte an die Tür. Jemand brachte eine Botschaft aus dem Gasthof, an Sie, Herr Bezirksanwalt,Sie verließen das Zimmer, und als Sie zurückkamen, sagten Sie etwas, das mich überraschte.
Was war es?
Sie sah ihn mit stummer Bitte an, dann antwortete sie ruhig:
Daß der Hausierer das Verbrechen wahrscheinlich nicht begangen habe.
Sie waren zugegen, Fräulein Dare, als die Sterbende noch einmal zu sprechen begann; wie lauteten die Worte, welche sie mehrmals wiederholte?
»Hand« und »Ring«.
Sie sagen, ein Herr habe den Ring aufgehoben. Was erwiderten Sie
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