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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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jenem Morgen in mein Büro stürmte.
    Ich musste ihm darauf antworten. Also sagte ich ihm die Wahrheit. Ich sagte ihm, der Aufseher habe die Traumüberwachung vonseiten des Aufsehers für zu gefährlich gehalten, um sie nach der 1. Auflage auch in die späteren Buchausgabenaufzunehmen. Nur die Wächter könnten mit ihren Geheimnissen betraut werden. Detektive hingegen könnten zwar davon profitieren, man müsste sie ansonsten darüber aber im Dunkeln lassen. Sivart mochte es nicht, im Dunkeln zu bleiben. Er sagte zu mir, er werde den Krieg gewinnen.
    ‹Welchen Krieg?›, fragte ich ihn.
    ‹Den Krieg gegen Enoch Hoffmann›, sagte er.
    Er dachte, wenn er in das schlafende Ich seines Gegners einbrach, könnte er auch seine Geheimnisse lüften. Könnte ignorieren, dass Hoffmann seit Jahren untergetaucht war, weil er durch unsere Anstrengungen immer in Schach gehalten worden war. Könne außerdem ignorieren, dass nicht einmal unsere besten Agenten das Risiko eingegangen wären, auch nur eine halbe Minute im Geist und im Denken dieses Mannes zu verbringen. Sivart spürte, dass zwischen ihnen noch eine Rechnung offen war.
    Ich konnte ihn nicht davon abhalten, stattdessen half ich ihm, ein paar Regeln zu brechen. Erstens sagte ich ihm, wer sein Schreiber ist. Er hat in all den Jahren eine Menge Respekt vor Ihnen entwickelt, Mr. Unwin, und er glaubt, Sie sind derjenige, der ihm helfen wird. Er sagt, Sie wissen Dinge, die sonst niemand von ihm weiß – Einzelheiten aus seinen Berichten, die es nicht bis in die Akten geschafft haben, weil sie für den Fall nicht relevant waren. Dinge, die Sie wahrscheinlich weggelassen haben, die jetzt jedoch von Bedeutung sind. Natürlich hat er mir nicht gesagt, worum es sich handelte.
    Zweitens habe ich Miss Palsgrave mitgeteilt, dass ich eine neue Aufnahme benötigen würde, von der ich jedoch nicht wollte, dass sie im dritten Archiv katalogisiert wird. Ich bat sie, sie mir direkt zu schicken, damit ich sie Ihnen aushändigen könne. Ich hoffe nur, das genügt.»
    Der Vergnügungspark mit seinen Gebäuden, die wie riesige Tierköpfe wirkten, den gestreiften Zelten mit den Wimpeln und den vielen Reihen von Schießbuden hatte Ähnlichkeit mit Caligaris-Wanderzirkus-der-nicht-mehr-wandert. Mit diesem Vergnügungspark schien jedoch alles in Ordnung zu sein: kein überflutetes Gelände, keine kaputten Karussells, keine zusammengebrochenen Pavillons. Das Ganze hatte etwas Ätherisches, schien bis ins kleinste Detail einen bleichen Schimmer auszustrahlen und sich ganz sachte zu bauschen und zu beben, als wehte irgendwo ein zartes Lüftchen, das Unwin auf seiner eigenen erträumten Haut nicht spüren konnte. Die Musik kam aus allen Himmelsrichtungen, und die Wolken waren von unten angeleuchtet wie Geister in einem drittklassigen Film.
    Mittlerweile ging Lamech langsamer und wählte jeden Schritt mit Bedacht. «Dieser Ort hier ist nicht das, was Sie glauben», sagte er. «Zumindest nicht ganz. Bisher ist es uns nicht gelungen, den genauen Standort von Hoffmanns denkendem Ich auszumachen, deshalb stellt jede dieser Örtlichkeiten nur eine Möglichkeit dar. Wo auch immer er hingeht, hinterlässt er Echos seiner Person, um uns von seiner Fährte abzubringen. Die Leute, die hier dargestellt sind, könnten zu den Übriggebliebenen von Caligaris Zirkus gehören. Oder, noch schlimmer, es sind ganz gewöhnliche Leute, die noch nicht wissen, dass sie von der Hand des Zauberers berührt wurden. In den vergangenen Wochen, besonders seit Sivarts Verschwinden, hat sich dieser Bereich dramatisch vergrößert.»
    Sie näherten sich jetzt dem, was früher einmal der Mittelpunkt des Vergnügungsparks gewesen sein musste. Die Gondeln des Riesenrades um die Ecke ächzten in ihren Halterungen, während sie langsam kreisten. Lamech blieb stehen,drehte sich einmal um die eigene Achse und musterte die Umgebung. Die Frau im karierten Mantel ging hinter der Ecke eines Ticketschalters in Deckung, behielt den Wächter jedoch im Auge.
    «Ich gebe nur ungern zu, dass ich auf das äußere Erscheinungsbild dieser Stätte keinerlei Einfluss habe», sagte er. «Hoffmanns Macht ist so groß, dass er entscheiden kann, wie er sich nach außen präsentiert, selbst im Denken anderer Menschen. Glauben Sie mir, das ist überaus ärgerlich. Und auf die Musik lege ich auch keinen gesteigerten Wert.»
    Die Wärme des Bettes im dritten Archiv war für Unwins Sinne nicht länger wahrnehmbar – nurmehr das kalte Licht des Vergnügungsparks

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