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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Öffnung zwischen zwei Spiegeln und schritt hindurch; Unwin folgte ihm.
    «Man nennt das hier einen Vergnügungspark», sagte Sivart. «Aber ich sage Ihnen, vergnüglich ist hier gar nichts. Es ist schlimmer als jeder Knast, in den wir die Ganoven geschickt haben. Ab und zu kommt er rein und schaut nach mir. Und wenn er das tut, fühlt sich das an, als würde mir jemand die Schädeldecke aufschrauben und mit einer Taschenlampe hineinleuchten. Es tut weh, Ed. Sie hätten mir sagen sollen, auf was ich mich da einlasse.»
    «Ich hab’s versucht, Travis, ich hab’s doch versucht.»
    Wieder verschwanden einige Spiegelbilder Sivarts. Mittlerweile waren nur noch wenige da. Er war ganz nah, doch Lamech kam nicht zu ihm durch.
    Sivart und seine Spiegelbilder sagten: «Wissen Sie, wie er das gemacht hat? Er hat es von Caligari gelernt, diesem verrückten kleinen Kerl, der den Wanderzirkus hierhergebracht hat. Sie erinnern sich: ‹Alles, was ich Ihnen sage, entspricht der Wahrheit, und alles, was Sie sehen, ist so real wie Sie selbst.› Was sollte das eigentlich bedeuten?»
    «Nein», sagte Lamech. «Die Technik kam aus der Agentur. Jemand hat das Geheimnis gestohlen und es Hoffmann übermittelt. Greenwood wahrscheinlich.»
    «Das ist bloß Gerede. Alles Schall und Rauch. In Wirklichkeit pfuschen wir an etwas herum, das viel, viel älter ist. Vielleicht geht das ja weit zurück bis zu den ersten Anfängen. Es ist mit dem Zirkus gekommen, und Ihr Chef hat es sich irgendwie unter den Nagel gerissen. Wir alle hätten gut drauf verzichten können.»
    «Woher wissen Sie das?»
    «Sie glauben doch nicht, dass die mich gleich erwischt haben, oder? Ich habe es selbst gesehen. Allerdings nicht so, wie es im
Handbuch
steht. Ich bin gleich ins kalte Wasser gesprungen, hab mich auf die gruseligen Sachen gestürzt. Ich wollte einfach wissen, wie er tickt.»
    Lamech war außer Atem. Er blieb stehen und stützte die Hände auf die Knie. «Und?»
    «Niemand hat ihm das mit den Stimmen beigebracht», sagte Sivart. Er ging auf und ab, und während er sich bewegte, vervielfältigten sich seine Spiegelbilder oder verschmolzen miteinander. «Er war von Geburt an so. Wuchs in einem kleinen Dorf auf dem Land auf, Einwandererfamilie, Leute, die hart anpacken mussten. Er klaute Brot, indem er die Stimme der Frau des Bäckers nachahmte und ihn auf die Art aus dem Laden lockte. Schlaues Bürschchen, was? Später versteckte er sich auf einer Kirchenempore, tat so, als wäre er ein Engel, und brachte den Pfarrer dazu, seine Predigten zu ändern. Überzeugte ihn davon, seltsame Bemerkungen darüber zu machen, dass man die Weltordnung umstürzen müsste, dass es nur Erlösung gebe, wenn man alles auf den Kopf stelle, etc. pp. Als man dann rausfand, was los war, haben sie den Kleinen zu einer Art Teufel erklärt. Wahrscheinlich hätten sie ihn sogar umgebracht, wenn der Zirkus ihn nicht bei sich aufgenommen hätte.»
    Etwas stimmte hier nicht. Sivart zitterte, während er sprach, und als bei einem der Spiegelbilder für einen Moment das Gesicht auftauchte, glaubte Unwin Tränen darauf zu erkennen. Auch Lamech bemerkte das. «Travis», sagte er, «dafür ist jetzt keine Zeit.»
    Sivart nahm die Zigarre aus dem Mund und warf sie auf den Boden. «Das könnte aber wichtig sein, Ed. Wollen Sie mir nicht ein Mal zuhören? Hoffmann war erst ein kleinerJunge, als seine Mutter ihn dem Zirkus überließ. Und dieses Ungeheuer Caligari hat ihn dann ausgebildet, ihm aber nie genug beigebracht. Also dachte Hoffmann, er könne sich das selbst beibringen. Eines Nachts drang er in das Ich des alten Mannes ein und versuchte seine Geheimnisse herauszufinden. Caligari hat ihn erwischt und ihn dort behalten. Hat ihn gequält und ihn nicht mehr aufwachen lassen. Und was das Schlimmste war – Hoffmann wusste, dass Caligari etwas vor ihm verborgen hatte und immer verbergen würde. Er würde ihm niemals das Geheimnis verraten, das ihm Macht verliehen hatte.»
    Lamech wirkte jetzt ganz ruhig, als wäre er zu einer Art Verständnis gelangt. «Klingt so, als müsste man Hoffmann mal eine kleine Lektion erteilen, Travis. Klingt so, als hätte er ganz schön über die Stränge geschlagen.»
    Mittlerweile waren nur noch zwei Sivarts da. Beide drehten sich jetzt weg und hoben in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände. «Was wissen Sie denn schon? Sie haben nicht gesehen, was ich gesehen habe. Jedenfalls sollten Sie mich besser in Ihren Plan einweihen. Wen haben Sie denn da

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