Handbuch für Detektive - Roman
und hätte sie auf der Stelle erschossen, wenn sie mir nicht diesen Vorschlag gemacht hätte. Für einen günstigen Preis würde Enoch Hoffmann meinen fingierten Tod in die Wege leiten. Das sei, so sagte sie mir, eine der leichtesten Übungen für einen Meister der Illusion. Ich erkannte sofort die Vorteile, die ein solches Arrangement mit sich bringen würde.»
Screed beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf den Tisch. «Okay», sagte er, «also hat Ihnen Hoffmann bei Ihrem getürkten Begräbnis geholfen. Den Rest habe ich in der Zeitung gelesen. Und das alles nur, um Ihren Sohn dranzukriegen.»
Der Colonel griff nach der Serviette, zerknüllte sie und sagte mit brüchiger Stimme: «Leopold! Mein Junge!»
«Nun mal langsam», sagte Screed und schaute zu Unwin, um sich zu vergewissern, dass er alles mitschrieb. «Was war mit Ihrem zweiten Tod?»
Der Colonel warf die Serviette wieder auf den Tisch. «Hoffmann hat mich verraten. Er war derjenige, der Kontakt mit meinem Bruder aufnahm, der ihm sagte, wo ich war und was ich vorhatte. Reginald kam, um mir Einhalt zu gebieten und meine Schätze für sich in Anspruch zu nehmen.»
«Sie haben ihn getötet», sagte Screed. «Sie stachen mit jenem Dolch auf ihn ein, acht Mal.»
«Er war ein solcher Langweiler. Und wie schrecklich, solch eine Langeweile über Lippen kommen zu sehen, die genauso aussahen wie meine. Vergessen war der Krieg, vergessen unsere Kindheit in den Bergen. Vergessen auch unsere Jagd auf Igel; wie sehr ich sie hasste! Wo war das überhaupt gewesen, wo?»
«Sie sind also geflohen», sagte Screed und versuchte, ihn zum Thema zurückzubringen.
«Ich war wieder tot, und noch dazu ein Mörder. Ich ging in den Stadtpark, zu jener alten Festung. Im Herbst ging ich manchmal gerne dorthin. Einmal nahm ich auch meinen Sohn mit, um ihm die Festungsmauern zu zeigen.» Der Colonel gluckste vergnügt vor sich hin und trommelte mit den Fingern auf die Tischkante. Es klang wie das Marschieren einer herannahenden Armee.
Screed kam offenbar nicht mehr mit. Er nahm einen Schluck von seinem Drink, schüttelte den Kopf.
«Sivart hat Sie gefunden», wagte Unwin einen Vorstoß. «Sie flohen zu der Brücke.»
«Nein, nicht zu der Brücke! Zu Hoffmann, zur Bühnenshow in seinem Zirkus. Er hockte in seinem Zelt und sah sehr zufrieden mit sich aus. Es war eine Party im Gange. Er lud mich ein, stellte mich den anderen Gästen vor. Ich erinnere mich noch an einen Mann, der mir nur bis zu den Knien reichte, an ein paar sich lasziv rekelnde Akrobatenund an eine Frau mit einer unbehaarten Katze an einer Leine. Ich hasste sie alle und zeigte ihnen die Zähne. Er nahm mich mit nach draußen, setzte mich an ein Lagerfeuer, gab mir ein Glas Brandy. Ich sagte ihm, er solle sich nicht so viel einbilden – jeder könne sehen, unter welch armseligen und heruntergekommenen Umständen er lebte. Es heißt, ein Magier verrät nie seine Geheimnisse, doch er hat mir aus reiner Boshaftigkeit verraten, wie er meinen Ruin herbeigeführt hatte.»
«Man hat Ihre Uniformjacke im Fluss gefunden», sagte Screed.
«Mein Sohn!», rief der Colonel wieder, nahm die Serviette und knetete sie in den Händen. «Greenwood hat ihn gefunden. Sie war immer noch damit beschäftigt, Hoffmanns Trick zu Ende zu führen.»
Der Mann mit dem blonden Bart war ins Restaurant zurückgekehrt, die Serviette immer noch in den Kragen gestopft. Er begriff auf der Stelle, was an dem Tisch vorging, und kam auf sie zu, den Bart nach vorne gereckt.
«Armer, armer Leopold», sagte der Colonel. «Er glaubte, sein Vater sei tot. Jeder hatte ihn im Verdacht. Greenwood spürte ihn auf, sagte ihm, er sei erledigt, und händigte ihm meine alte Uniformjacke aus, damit er sie anlegte. Für ihn gab es kein Entrinnen. Ein kleiner Löwe, das war mein Sohn immer schon. Er zog die Jacke an. Ich hätte derjenige dort auf der Brücke sein sollen. Nicht er!»
«Hört auf damit!», schrie der Mann mit dem blonden Spitzbart. Er packte Screed an der Schulter. «Sie müssen Ihre Nachforschungen einstellen, den Fall abschließen. Befehl von ganz oben.»
Beunruhigt über den Krach, doch ohne dessen Quelle ausmachen zu können, blickten die drei älteren Herren amanderen Tisch sich um. Sie brachen in ein nervöses, aber unverständliches Gebrabbel aus, und ihre Stimmen wurden lauter.
Der Colonel sagte: «Hoffmann sollte sich als mein Sohn ausgeben, wissen Sie. Das war ein Kinderspiel für einen Meister der Illusion. Ich war tot, mein
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