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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Als er Unwins Blick bemerkte, sah er ihn selbstgefällig und triumphierend an.
    «Wir werden hier warten, bis Miss Greenwood kommt», fuhr Screed fort, «und werden sie grüßen, ohne uns von unseren Stühlen zu erheben. Wenn sie Sie erblickt, werden Sie sie zu uns bitten. Sollte die Rede auf mich kommen, so sprechenSie von mir – wie schlau und zweideutig auch immer Sie beide sich inzwischen miteinander verständigen – als einem neuen Mitglied Ihrer Verschwörung zur Unterwanderung der Agentur.»
    Unwin blieb nichts anderes übrig, als mitzuspielen. «Sie wird Verdacht schöpfen», sagte er. «Selbst wenn sie sich zu uns setzt, wird sie uns nichts verraten.»
    «Das liegt ganz bei Ihnen», sagte Screed. «Ich gebe Ihnen die Chance, zu helfen, Unwin. Sie sollten dankbar dafür sein. Und jetzt trinken Sie, Ihr Glas ist zu voll.»
    Screed hatte darauf bestanden, für sie beide Whiskey Sour zu bestellten. Einen Kellner gab es nicht, doch war ein Hotelpage in roter Livree eingesprungen – oder ein Junge, der davon träumte, ein Page zu sein –, hatte die Bestellung aufgenommen und ihnen die Drinks gebracht. Unwin nippte an seinem Glas und schüttelte sich.
    «Ja», sagte Screed und beantwortete damit eine Frage, die er sich insgeheim offenbar selbst gestellt hatte, «bislang mein größter Fall.» Er nahm die Maraschinokirsche aus seinem Glas und pflückte sie mit den Zähnen von ihrem Stängel.
    Genau in diesem Moment kam der Page zurück ins Restaurant. Der Junge wirkte sonderbar wach und bewegte sich viel akkurater als die anderen Schlafwandler, die Unwin gesehen hatte. Er ging zu dem Mann mit dem blonden Bart und bedeutete ihm mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger am Ohr, dass draußen ein Telefonanruf auf ihn wartete. Der Mann mit dem blonden Bart wirkte genervt, legte aber dennoch seine Gabel ab, an der noch ein wenig Omelett klebte, und erhob sich von seinem Stuhl. Seine Serviette baumelte von seinem Kragen, während er dem Pagen in die Lobby folgte.
    Unwin fragte sich, ob das am Telefon wohl der Aufseherwar, der es nicht erwarten konnte, von seinem Agenten auf den neuesten Stand gebracht zu werden.
    Eine Minute später kam der Page zurück. Diesmal führte er einen alten Mann in einem zerschlissenen Frack am Arm herein. Er geleitete ihn zu einem Tisch in der Nähe, und der alte Herr wollte sich gerade setzen, als sein Blick auf Screed fiel. Er blickte zu Unwin, dann erneut zu Screed, nickte dann und schloss mit einem Ausdruck feierlicher Resignation die Augen.
    Es war Colonel Sherbrooke Baker, und wie sie war auch er hellwach.
    «Dann habt ihr mich also endlich erwischt», sagte er. «Vom Kampf gezeichnet, der Welt müde, ein unbedeutender Mann auf der Flucht, der für keinen Menschen mehr eine Bedrohung darstellt. Doch Sie haben mich gefunden, und jetzt wollen Sie bestimmt, dass ich mich ergebe.»
    Screed schaute Unwin finster an, als sei er irgendwie für die Situation verantwortlich und halte jetzt besser den Mund.
    Der Colonel fuhr fort: «Kaum geht seine armselige Existenz zur Neige, beschließt der arme Teufel, seine Mahlzeit in Gesellschaft seiner Landsleute einzunehmen, und da schnappt ihr ihn. Dann soll es meinetwegen eben so sein. Besser das, als allein in meiner Zelle zu sterben und darüber nachzugrübeln, wie lange es dauern würde, bis mich endlich der Roomservice in meinem Zimmer findet, steif auf meinem Stuhl sitzend, die Augäpfel zu Gelee erstarrt.»
    Screeds Schnurrbart zuckte, während sich Colonel Baker an ihren Tisch setzte.
    «Mein Name ist Sherbrooke Thucydides Baker», sagte er. «Ich bin neunundachtzig Jahre alt. Ich werde Ihnen jetzt die Geschichte meiner ersten drei Tode erzählen und wie ichschließlich durch die List eines Wahnsinnigen und seiner verräterischen Agenten zur Strecke gebracht wurde.»
    Den Namen hatte Screed schon gehört – Sivarts Fallakten kannte er ebenso gut wie jeder andere, wenn auch nur aus Neid. Offenbar schien er langsam die Situation zu begreifen, denn er sagte: «Sie haben eine kluge Entscheidung getroffen, Baker. Warum fangen Sie nicht einfach ganz von vorne an?» Er holte den Notizblock aus Lamechs Büro aus seiner Tasche und gab ihn Unwin. «Sie sind Schreiber», sagte er. «Also schreiben Sie.»
    Unwin zückte einen Bleistift aus seiner Aktentasche und wartete.
    «Eines Tages kam sie spätnachts zu mir nach Hause», begann Baker. «Ungebeten und unerwartet. Diese Greenwood, vom Wanderzirkus. Ich war gerade mit Waffenpolieren beschäftigt

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