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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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aussah, war er bloß ein harmloser alter Mann in einem blauen Schlafanzug.
    Penelope hatte Sivart aufgegeben, doch das konnte Unwin nicht.
Sie sind die größte Chance, die ich habe
, hatte der Detektiv ihm in dem Traum gesagt, den Unwin zweimal geträumt hatte, zuerst in seinem eigenen Bett und dann im dritten Archiv.
Versuchen Sie es diesmal, bitte, ja?
Und so würde er es versuchen. Möglicherweise hatte Penelope ja Sivarts Hartnäckigkeit unterschätzt.
    Unwin holte den Wecker aus seiner Aktentasche, zog ihn auf und stellte ihn auf die Zeit ein, die seine Armbanduhr anzeigte. Es war genau sechs Uhr. Er stellte die Weckzeit so weit vor, wie er konnte, und platzierte den Zeitmesser dann sorgfältig auf dem Tisch, direkt neben der fast leeren Brandyflasche.
    Elf Stunden und neunundfünfzig Minuten: Diese Zeit blieb ihm, um alles in Ordnung zu bringen. Es war jetzt nur noch eine Frage des Timings. Wenn sein Plan funktionierte, würde es so ausgehen wie in Miss Greenwoods Geschichteüber all die Spindeln und die eine, die der König übersehen hatte. Nur dass in dieser Version der Geschichte nicht jemand einschlief, sondern erwachte. Genauer gesagt, eine ganze Reihe von Leuten.
    Ein Schatten huschte über den Boden. Unwin drehte sich um und sah Cleo Greenwood, die am Fenster stand. Ihr roter Regenmantel tropfte auf den Teppich. Sie hatte Unwin aus einer Ecke des Raumes beobachtet – war vielleicht durch einen von Colonel Bakers Geheimgängen hereingekommen. Die Pistole in ihrer Hand war vollkommen ruhig, trotz ihrer Erschöpfung. Es handelte sich um eine von Bakers alten Waffen; sie hatte sie von der Wand genommen.
    «Sie stehen mir im Weg», sagte sie.
    Unwin reckte sich und blieb vor dem Magier stehen. «Für Hoffmann ist bereits gesorgt, Miss Greenwood. Und er ist sowieso nur die eine Hälfte des Problems. Wenn Sie mir die Möglichkeit geben, kann ich Ihnen den Aufseher ausliefern.» Wieder machte Unwin kühne Versprechungen. Er wusste, es war wahrscheinlicher, dass sich die Finger des Aufsehers um seine eigene Kehle schließen würden, wenn er das nächste Mal schlief – falls er jemals wieder schlief. Doch er redete weiter.
    «Diese Augen an der Rückseite Ihres Schädels», sagte er. «Es hat Sie Mühe gekostet, Ihr Geheimnis vor ihnen zu verbergen. Jetzt verstehe ich, warum Sie nicht möchten, dass er von Ihrer Tochter erfährt. Er würde sie ebenso quälen, wie er Sie gequält hat. Und wenn sie auf seine Seite überwechseln würde, wäre nichts mehr sicher vor dem Auge der Agentur. Arthur glaubt, er stehe kurz davor, Sie zu brechen.»
    «Das stimmt», sagte sie.
    «Dann lassen Sie sich von mir helfen», sagte er.
    «Was haben Sie davon?»
    «Sivart. Und vielleicht kriege ich auch meinen alten Job zurück.»
    Sie hielt einen Moment lang inne, bedeckte dann ihr Gesicht mit der freien Hand. «Sie sind Schreiber», sagte sie und ihre Schultern zitterten. «O Gott, Sie waren sein Schreiber.»
    «Und kein besonders guter», sagte Unwin. «Meine Akten sind voller Fehler. Und ich versuche eigentlich nur, jetzt ein paar Korrekturen anzubringen.»
    Hoffmann murmelte im Schlaf wieder vor sich hin. Leise tickte Unwins Wecker auf dem Tisch neben dem Magier.
    «All die Jahre haben Sie die Assistentin des Magiers gespielt», sagte Unwin. «Ich weiß, wie Sie Colonel Baker um sein Vermögen gebracht haben. Und an jenem Abend waren Sie auf der
Wonderly
, um dafür zu sorgen, dass Sivart die falsche Mumie zurück ins Museum brachte.» Er zeigte auf die Glasvitrine im hinteren Teil des Raumes. «Das dort ist das richtige älteste Mordopfer der Welt. Und im Museum liegt Caligaris Leiche, stimmt’s?»
    Sie stritt es gar nicht ab, und Unwin wusste, dass er richtig vermutet hatte. Hoffmann hatte den Wanderzirkus des alten Mannes dazu benutzen wollen, die Kontrolle über die Unterwelt der Stadt auszuüben. Und das umso mehr, nachdem er seinen Pakt mit der Agentur geschlossen hatte: Wo sonst hätte er ein solch zuverlässiges Aufgebot an Menschen gefunden, die als Agenten, Ganoven und Spitzel in Erscheinung treten konnten, nur um dann von Travis T. Sivart das Handwerk gelegt zu bekommen? Caligari aus dem Weg zu räumen und seinen Leichnam an einer Stelle zu platzieren, an der ihn jeder sehen konnte, war offenbar der erste Plan gewesen, den der Magier und der Aufseher zusammen ausgeheckt hatten.
    «Ich habe mich ausgeklinkt, sobald ich konnte», sagte Miss Greenwood schließlich.
    «Aber jetzt sind Sie wieder im Geschäft. Hoffmann

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