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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Sägen und Bohrer herbeigeholt. Die Übriggebliebenen von Caligaris Wanderzirkus hatten zunächst Angst und versuchten sie aufzuhalten, sie zu wecken. Doch kaum hatten die alten Schausteller begriffen, was die Eindringlinge vorhatten, haben sie sie gewähren lassen und sich ihnen angeschlossen, ja, ihnen sogar dabei geholfen, ihre Arbeit zu verrichten. Auch ich habe mitmachen müssen, um unentdecktzu bleiben!» Moore zitterte jetzt stärker. «Caligaris Wanderzirkus wird wiederaufgebaut, Mr. Unwin, der ganze Sündenpfuhl. Hoffmanns alte Räuberhöhle wird wiederhergestellt. Er lacht uns aus – er lacht.»
    Unwin legte sein Fahrrad auf den Boden und ging neben dem alten Schreiber in die Hocke. Er legte Mr. Moore eine Hand aufs Knie und sagte: «Mr. Moore, ich bin mir gar nicht sicher, ob es Hoffmann war, der das getan hat.»
    «Wer dann?»
    «Die Frau im karierten Mantel. Dieselbe Frau, die Ihnen den Goldzahn im Mund des ältesten Mordopfers der Welt gezeigt hat, damals, als Sie geschlafen haben.»
    Moore stand auf und trat einen Schritt zurück. «Wer sind Sie? Sie haben wohl in meine Träume geblickt?»
    «Nein, nichts dergleichen», sagte Unwin. «Wir sind ein gutes Team. Erinnern Sie sich?»
    Moore stieg weiter die Treppe hoch. Er blickte prüfend auf die Straße, während das Rumpeln des Dampflasters lauter wurde. «Sie gehören zu
denen
», sagte er. «Ich erinnere mich an nichts. Nichts! Das können Sie auch in Ihren Bericht schreiben, wenn Sie möchten.» Er schleuderte den Schirm zu Boden und lief weiter die Treppe hoch. Unwin sah ihm hinterher und hoffte, er würde stehen bleiben, doch der alte Schreiber eilte zwischen den dicken Säulen hindurch und verschwand in der Drehtür des Museums.
    Was würde es schon bringen, ihm hinterherzulaufen? Moore würde allein durch die Museumssäle wandern und sich an seine gewohnte Route halten. Heute wären keine Besucher da, keine weinenden Kinder, die nach ihren Eltern suchten. Nach einer Weile würde er vielleicht den Saal betreten, in dem das älteste Mordopfer der Welt lag. Dort würde er tief in der Mundhöhle der Mumie den glitzerndenGoldzahn entdecken. Und dann würde er die Agentur anrufen und Detektiv Sivart wissen lassen, dass er ausgetrickst worden war und besser persönlich vorbeikommen sollte, um nachzusehen und den Fehler wiedergutzumachen.
    Der weggeworfene Schirm füllte sich bereits mit Regenwasser. Unwin ließ ihn liegen und trat in die Pedale.
     
    Bei Tageslicht sah Unwin, dass die Mauer rund um das Baker-Grundstück marode war; Steine hatten sich an verschiedenen Stellen gelockert und lagen in kleinen Haufen auf dem Gehsteig verteilt. Die Eisentore, von denen er geglaubt hatte, sie seien in der Nacht zuvor eigens für Hoffmanns schlafwandelnde Gäste geöffnet worden, waren schlicht in den Angeln verrostet. Mit schmerzenden Beinen radelte er die lange Auffahrt hoch. Links und rechts spritzten nasse Bergahornpropeller unter seinen Reifen empor.
    Ganz oben auf der Anhöhe lag die halb zerfallene Villa. Als sie in der Nacht zuvor von innen erleuchtet gewesen war und wie eine Zauberlaterne gewirkt hatte, war sie ihm prunkvoll und stattlich erschienen. Nun jedoch sah Unwin ihre pockennarbige alte Fassade, die eingesunkenen Veranden und baufälligen Balkone, die zerbrochenen Fensterscheiben und abgesplitterten Schindeln. Er stieg ab und schob sein Fahrrad weiter den Hügel hinauf, wo er es schließlich an eine Säule des Vorbaus lehnte und zurückließ.
    Die Eingangstür war unverschlossen. Er trat in die Halle, und seine durchnässten Kleider tropften auf den Dielenboden. In dem Raum, in dem Miss Greenwood am Abend zuvor aufgetreten war, lagen Cocktailgläser mit einer Milchkruste auf den Tischen, Aschenbecher quollen über vor Zigarettenkippen und Zigarrenstumpen. Die Böden warenmit schmutzigen Abdrücken übersät, wobei die meisten von nackten Füßen stammten.
    Er ging in Richtung Treppe, und das Knirschen der Stufen war, abgesehen vom Prasseln des Regens auf dem Dach, das einzige Geräusch. Unwin folgte dem Flur bis zu Hoffmanns Zimmer und öffnete die Tür.
    Die Feuerstelle war erkaltet. Ein leichter Zug aus dem Kamin spielte mit der Asche und malte damit kleine graue Spiralen auf den Boden. Hoffmann saß noch immer in seinem Stuhl und schlief. Jemand hatte eine Decke über ihn gebreitet, die jedoch heruntergerutscht war und sich um seine Knöchel gewickelt hatte. Er murmelte und zitterte, seine Hände bebten in seinem Schoß. So, wie er jetzt

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