Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
selbst werde demnächst meinen Abschied nehmen, vermute ich. Und wenn man den Regeln der Verhältnismäßigkeit folgt, wird mir wohl nur ein besonders kurzer Ruhestand beschieden sein. Und Ihr eigener Wächter – genauer gesagt, der Wächter Ihres Detektivs – wird auch schon bald seinen Abschied nehmen. Ein netter Mann, Ed Lamech. Ich werde ihn vermissen.»
    Erst in diesem Moment wurde Unwin klar, dass Miss Burgrave noch gar nichts von seiner eigenen kürzlichen Beförderung wusste. Warum sollte sie auch? Seine Beförderung war ihm schließlich selbst ein Rätsel, und Miss Burgrave kannte nur die Lösungen. Folglich hatte sie auch noch nichts von dem Mord an Lamech gehört.
    «Sie zögern», sagte Miss Burgrave. «Dabei habe ich Sie doch schon gewarnt, dass unsere Toleranz dem Mysteriösen gegenüber in diesem Stockwerk nicht allzu groß ist.»
    Er wählte seine Worte mit Sorgfalt. «Es war, neben anderen rätselhaften Vorkommnissen, die Entdeckung von Lamechs Tod, Miss Burgrave, die mich überhaupt erst hierhergebracht hat.»
    Sie bedeckte ihren Mund mit einer ihrer kleinen Hände und suchte mit der anderen Halt an der Schublade mit den Hängedateien. Einen Moment später sagte sie: «Ach, Ed Lamechund ich, wir haben Karten miteinander gespielt. Das war natürlich vor alldem hier. Miss Margrave und ich teilten uns einen Schreibtisch, und das Archiv bestand nur aus zwei Pappkartons im hinteren Teil des Zimmers: einem für die Rätsel und einem für die Lösungen. Edwin Moore hielt die Akten in Ordnung. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Tisch, auf dem die Detektive Verbrecherfotos und Stadtpläne ausbreiteten. Sie rauchten und palaverten und planten ihre Coups; Ed war der lauteste der ganzen Bande, aber er hatte immer auch ein paar nette Worte für uns. Er wusste, wie man einem Menschen das Gefühl gibt, ein bisschen größer geworden zu sein. An manchen Abenden haben wir dann alle miteinander den Tisch abgeräumt und ein paar Runden Karten geklopft. Ja, ich habe immer gedacht, eines Tages könnten sich Ed Lamech und ich vielleicht mal wieder zu einem schönen Spielchen zusammensetzen, wenn wir die Zeit finden.»
    Sie knipste das Licht aus und sagte: «Helfen Sie mir bitte die Tretleiter herunter, Mr. Unwin», und das tat er dann, doch auch als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, ließ sie seine Hand nicht los. «Hier entlang.»
    Unwins Augen hatten nicht genügend Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, während Miss Burgrave ihn immer weiter und immer schneller den schwarzen Gang zwischen den Wänden entlang zog. Immer wenn sich eine Schublade öffnete oder schloss, fiel einen Moment lang ein Lichtstreifen aus dem Archiv auf den Boden, doch das war alles, und Unwin wusste, dass er den Weg von allein nicht mehr zurückfinden würde. Sie kamen zu einem Korridor, in dem es fast stockdunkel war und aus dessen Wänden keine Schubladen mit Hängedateien ragten.
    «Sie gehen jetzt hier entlang», teilte ihm Miss Burgravemit, «und sagen Miss Palsgrave, dass ich Sie geschickt habe, obwohl ich bezweifele, dass Sie sich noch darum schert, was ich zu sagen habe.»
    Sie entzog ihm ihre Hand und fügte hinzu: «Sie arbeitet hier, aber sie war nie wirklich eine von uns. Sie hat einen ziemlich kuriosen Lebenslauf, gelinde gesagt. Seien Sie bei ihr auf der Hut. Und seien Sie höflich.»
    Unwin sagte: «Das werde ich, Miss Burgrave. Aber bitte, sagen Sie mir doch noch eins. Wenn Sie Ihre Unterschreiber nur an ihrem Räuspern erkennen, wie haben Sie dann mich erkannt?»
    «Oh, Mr. Unwin, wissen Sie denn nicht, dass Sie eines meiner Kinder sind? Ihre Arbeit hat mir in all den Jahren so viel Freude bereitet. Wenn Sie etwas abliefern, dann liefern Sie es so ab, dass es selbst über den leisesten Zweifel erhaben ist. Glück werde ich Ihnen nicht wünschen. Von Ihrem Erfolg oder Ihrem Scheitern erfahre ich noch rechtzeitig genug.»
    Unwin hörte, wie sich ihre Schritte entfernten, und sah kurz das silbrige Grau ihres Haares aufblitzen, als sie an einer offenen Schublade vorbeikam. Und dann war Miss Burgrave verschwunden.
    Er ging allein in die Dunkelheit hinein. Der Gang wurde etwas abschüssig und beschrieb eine leichte Kurve nach rechts wie eine Spirale, die sich allmählich in die Tiefe bohrte. Manchmal hielt er die Augen offen, und manchmal schloss er sie; das machte nur einen geringen Unterschied. Miss Burgrave hatte recht gehabt, was ihn betraf: Er lieferte die Dinge so ab, dass sie über jeden Zweifel

Weitere Kostenlose Bücher