Handy-Falle
gewartet, aber der Typ hat sich nicht blicken lassen. Es war stinklangweilig. Zu unserem nächsten Einsatz nehme ich auf jeden Fall ein Buch mit.
Marie war auch keine große Hilfe. Erst fand sie die Idee gut, hinter der Gruft auf den Erpresser zu warten. Aber als er nicht sofort auftauchte, bekam sie schlechte Laune und fing an herumzunörgeln. Wahrscheinlich war ihr genauso langweilig wie mir. Aber das war schließlich nicht meine Schuld, oder?!
Doch es kam noch schlimmer. Um kurz vor sechs stand Marie einfach auf und verkündete, dass sie keine Zeit mehr hätte. Ich bin fast vom Stuhl (beziehungsweise vom Grabstein) gefallen! Diese dumme Kuh wollte doch tatsächlich unseren Undercovereinsatz abbrechen, bloß um ihre blöde Gesangsstunde nicht zu verpassen! Das muss man sich mal vorstellen! Ich hab versucht, ihr zu erklären, dass das nicht geht, aber da ist sie total sauer geworden und einfach abgezischt.
Tja, da saß ich also plötzlich mutterseelenallein auf dem Friedhof und wartete auf einen gefährlichen Kriminellen. Nicht gerade angenehm! Vor allem, weil es langsam anfing zu dämmern. Natürlich glaube ich nicht an Gespenster oder irgendwelche Zombies, die aus Gräbern steigen. Aber irgendwie war es doch ganz schön gruselig, im Dunkeln hinter einer Gruft zu hocken und zu wissen, dass man das einzige lebende Wesen zwischen lauter Toten ist. Ich hab in meiner Verzweiflung schließlich sogar versucht, Franziska zu erreichen, um Verstärkung anzufordern, aber der Akku von meinem Handy war leer. Echt spitzenmäßig!
Als sich um kurz vor sieben immer noch nichts getan hatte, bin ich langsam unruhig geworden. Wir essen nämlich um sieben, und die gemeinsamen Familienmahlzeiten sind meiner Mutter heilig. Sie kann ziemlich ungemütlich werden, wenn man zu spät kommt. Total bescheuert, ich weiß, aber so ist sie nun mal. Sogar Papa kriegt Ärger, wenn er in seiner Hobbywerkstatt die Zeit vergisst und nicht pünktlich am Tisch sitzt.
Ich hab also noch zehn Minuten gewartet, dann bin ich abgehauen. Ich war natürlich stinksauer, weil mir der Erpresser jetzt durch die Lappen gehen würde. Und das alles wegen meiner Mutter und ihrem Faible für Familienmahlzeiten.
Als ich nach Hause gekommen bin, hat sie mir auch noch die Hölle heiß gemacht, weil ich es natürlich nicht mehr pünktlich zum Abendbrot geschafft habe. Dabei hab ich mich total beeilt. Wenn das nicht ungerecht ist! Natürlich wollte sie mal wieder ganz genau wissen, wo ich gewesen bin, mit wem, warum und so weiter und so weiter. Es war ein richtiges Kreuzverhör. Ich hab ihr natürlich nicht erzählt, dass ich auf einem Friedhof gehockt und auf einen Erpresser gewartet habe, sondern etwas von einem Schulprojekt gemurmelt. Das zieht bei meiner Mutter immer.
Auf jeden Fall bin ich jetzt ziemlich genervt. Hab gerade eine Mail an Franziska und Marie geschickt und eine Krisensitzung für morgen Nachmittag einberufen. Dabei ist mir eingefallen, dass wir immer noch keinen Namen für unseren Club haben. Aber im Moment gibt es wirklich wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern müssen. Hoffentlich hat Franziska wenigstens noch etwas herausgefunden, als sie Anna gefolgt ist. Sonst stehen wir echt auf dem Schlauch.
Eigentlich wollte ich heute Abend noch ein bisschen an meiner Kurzgeschichte arbeiten, aber dazu hab ich jetzt keine Lust mehr. Ich muss die ganze Zeit daran denken, dass vielleicht genau in diesem Moment der Erpresser den Friedhof betritt, um das Geld abzuholen. Und statt ihn zu verfolgen, sitze ich hier in meinem Zimmer herum und stopfe aus lauter Frust einen Schokoriegel nach dem anderen in mich hinein. So ein riesengroßer Mist, Mist, MIST!!!
Als es klingelte, sprintete Kim nach unten, um als Erste an der Haustür zu sein.
»Das ist für mich!«, rief sie und riss die Tür auf.
»Hi«, sagte Franziska. »Da bin ich. Pünktlich wie die Maurer.«
»Komm rein«, sagte Kim. »Am besten, wir gehen gleich nach oben. Bevor meine nervigen Brüder auftauchen und wir keine Sekunde Ruhe mehr haben.« Kim führte Franziska in ihr Zimmer und wartete, bis sie es sich auf der Schlafcouch bequem gemacht hatte. Dann fragte sie: »Und? Hast du gestern noch was rausgekriegt?«
Franziska schüttelte den Kopf. »Nichts. Anna ist direkt nach Hause gegangen und den ganzen restlichen Nachmittag dort geblieben. Keine besonderen Vorkommnisse.«
Kim seufzte. »So ein Mist«, murmelte sie enttäuscht.
»Wie war’s denn bei euch?«, fragte Franziska. »Ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher