Handy-Falle
»Wer weiß, ob du es jemals wiederbekommst.«
Aber Marie winkte ab. »Ach was, kein Problem. Ich hab noch genug auf dem Konto.« Sie steckte die Scheine zurück in den Umschlag und überprüfte noch einmal den Sitz ihrer Perücke. »Dann wollen wir den Herrn Erpresser mal nicht länger warten lassen. Auf geht’s! It’s Showtime!«
Marie trat hinter der Mauer hervor und ging auf die Telefonzelle zu. Ihre Schultern waren gebeugt und ihr Gang zögernd. Sie warf immer wieder ängstliche Blicke um sich.
»Sie ist wirklich eine gute Schauspielerin«, raunte Kim Franziska zu.
Franziska nickte. »Ich dachte immer, sie spielt sich nur auf mit ihrer Theater-AG und dem Schauspielunterricht«, flüsterte sie. »Aber sie hat ja tatsächlich was auf dem Kasten!«
Marie hatte währenddessen die Telefonzelle erreicht. Glassplitter knirschten unter ihren Schuhsohlen. Sie öffnete die Tür und versteckte den Briefumschlag unter einem völlig zerfledderten Telefonbuch. Dann sah sie sich noch ein letztes Mal um und trat den Rückzug an.
»Und? Wie war ich?«, fragte sie atemlos, als sie wieder hinter der Lagerhalle angekommen war.
»Einsame Spitze!«, antwortete Kim und hielt den Daumen hoch.
Franziska nickte eifrig. »Stimmt, du hast ausgesehen wie Anna persönlich. Echt klasse!«
Marie grinste zufrieden und nahm die Perücke ab. »Hoffentlich hat der Erpresser jetzt auch zugeguckt, damit sich der ganze Aufwand wenigstens gelohnt hat.« Sie hockte sich hin und verstaute Perücke und Brille wieder in ihrem Rucksack.
Kim setzte sich auf die Erde und zog ein Buch und eine Tafel Schokolade aus ihrer Jackentasche. Diesmal war sie schlauer gewesen und hatte sich besser auf den Einsatz vorbereitet.
»Jetzt können wir nur noch warten«, sagte sie und riss das Schokoladenpapier auf. »Möchte jemand etwas Nervennahrung?«
Zwei Stunden später war von der Schokolade kein Krümel mehr übrig, und es hatte sich immer noch nichts getan. Die Sonne war untergegangen, und es wurde langsam dunkel. Kim gähnte und klappte ihr Buch zu. Sie konnte die Schrift in der Dämmerung kaum noch entziffern.
Franziska scharrte ungeduldig mit den Füßen. »Wann kommt der Typ denn endlich?«, murmelte sie ungefähr zum hundertsten Mal, aber niemand machte sich mehr die Mühe, ihr zu antworten.
Kim warf einen Blick zur Telefonzelle hinüber, die einsam und verlassen zwischen den Lagerhallen stand. Eine einzelne Straßenlaterne verbreitete trübes Licht. Irgendwo in der Ferne bellte ein Hund, ansonsten war es totenstill. Kim war froh, dass die anderen bei ihr waren. Das verlassene Hafengelände wirkte tagsüber schon nicht besonders einladend, aber jetzt in der Dunkelheit war es hier richtig unheimlich.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch und erstarrte. Es klang wie ein Quietschen. Die anderen hatten es auch gehört. Franziska hatte vor Aufregung die Augen weit aufgerissen, und Marie spielte nervös mit einer blonden Haarsträhne herum.
Das merkwürdige Quietschen kam immer näher, und Kim starrte zur Telefonzelle hinüber. Sie traute sich kaum zu blinzeln, um ja nichts zu verpassen. Ob sie gleich den Erpresser in Fleisch und Blut zu Gesicht bekommen würden?
Ein Fahrrad bog um die Ecke und steuerte auf die Telefonzelle zu. Es war ziemlich alt und klapprig, und eine Pedale quie-tschte mörderisch. Auf dem Rad saß eine dunkle Gestalt. Kim hielt den Atem an. Das musste der Erpresser sein! Sie versuchte, sich sein äußeres Erscheinungsbild einzuprägen, um es später in ihrem Detektivtagebuch zu notieren, aber es gab nicht besonders viel zu sehen: männlich, mittelgroß, dunkle Schuhe, dunkle Hose, dunkler Kapuzenpullover. Die Kapuze hatte sich der Typ über den Kopf gezogen, sodass Kim sein Gesicht nicht erkennen konnte.
Vor dem Telefonhäuschen legte der Verdächtige eine Vollbremsung hin und sprang vom Fahrrad. Er betrat die Telefonzelle und zog mit einem schnellen Griff den Briefumschlag unter dem zerfledderten Telefonbuch hervor. Er betrachtete ihn einen Moment lang, dann steckte er ihn in seine Jackentasche, verließ die Telefonzelle wieder, griff nach seinem Fahrrad und fuhr davon.
Kim war einen Moment lang wie gelähmt. Erst als der Erpresser aus ihrem Blickfeld verschwunden war, kam wieder Leben in sie.
»Schnell!«, flüsterte sie atemlos. »Wir müssen ihn verfolgen!«
In der Ferne war immer noch das Quietschen zu hören, das langsam immer leiser wurde, und die drei Detektivinnen schwangen sich auf ihre Fahrräder.
»Was für
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