Handy-Falle
wollen.
Komisch, ich glaube, ich habe Marie ganz falsch eingeschätzt. Ich hätte schwören können, dass sie es total nervig fand, ganz bis zu Franziska hinauszuradeln. Zumal sie ja auch noch in den Regen gekommen und klitschnass geworden ist. Aber offenbar hat ihr das gar nichts ausgemacht. Sie scheint sogar völlig begeistert vom Landleben zu sein. Sie hat sich nach Franziskas Pony erkundigt und sogar gefragt, ob ihr Bruder auch ein eigenes Pferd hat. So kann man sich täuschen!
Nachdem Marie uns ihr Zimmer gezeigt hatte, haben wir natürlich auch ausführlich über den Fall geredet. Marie war total baff, als Franziska ihr von dem Gespräch mit dem Erpresser erzählt hat. Und dann hatten wir alle drei die gleiche Idee: Nicht Anna, sondern wir werden heute Abend den Briefumschlag in der Telefonzelle deponieren, uns irgendwo in der Nähe verstecken und dem Erpresser auflauern. Und dieses Mal warten wir so lange, bis der Typ tatsächlich auftaucht – und wenn es die ganze Nacht dauert. Franziska und ich schlafen nämlich heute bei Marie. Ich hab meinen Eltern erzählt, dass ich mit meinem beiden neuen Freundinnen von der »Projektgruppe« einen DVD-Abend mache. Das hat meine Mutter tatsächlich geschluckt. Wirklich erstaunlich! Maries Vater ist nicht zu Hause, sodass sich niemand aufregen kann, wenn unser Einsatz etwas länger dauert.
Erst hatten wir vor, Zeitungspapier in den Briefumschlag zu stecken, um dem Erpresser nicht noch mehr Geld in den Rachen zu werfen. Aber dann ist uns eingefallen, dass das für Anna ziemlich gefährlich werden könnte. Der Erpresser wäre bestimmt ganz schön sauer, wenn er den Betrug bemerkt. Und wer weiß, was er dann mit Anna machen würde …
Also haben wir beschlossen, doch echtes Geld in den Briefumschlag zu legen. Die Frage war nur, woher wir auf die Schnelle hundert Euro kriegen sollten. Franziska hatte ihr letztes Taschengeld gerade für eine neue Reitkappe ausgegeben, und ich bin auch völlig blank. Aber wir hatten nicht mit Marie gerechnet. Sie hat das Problem im Handumdrehen gelöst – indem sie ihre Bankkarte gezückt und zum nächsten Geldautomaten gegangen ist. Sie kriegt irre viel Taschengeld und kann von ihrem Konto so viel Geld abheben, wie sie will. Franziska und ich haben vor Staunen den Mund nicht mehr zugekriegt, aber Marie schien das völlig normal zu finden …
Mist, schon zehn vor sieben! Ich muss los! Ausführlicher Bericht folgt.
Nächtliche Ermittlungen
»Meint ihr, der Erpresser liegt hier schon irgendwo auf der Lauer und beobachtet die Telefonzelle?«, fragte Franziska mit gedämpfter Stimme.
Kim, die neben ihr hinter der bröckeligen Mauer einer alten Lagerhalle hockte, zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber wir dürfen kein Risiko eingehen. Nachher merkt der Typ noch, dass wir ihm eine Falle stellen wollen, und haut ab.«
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war genau sieben. Der alte Hafen lag einsam und verlassen da. Abgesehen vom leisen Plätschern des Wassers im Hafenbecken war es ganz still. Von ihrem Beobachtungsposten aus hatten sie die Telefonzelle genau im Blick. Sie war in einem ziemlich desolaten Zustand. Die Scheiben waren eingeschlagen, und die Splitter lagen überall auf dem Pflaster verstreut. Außerdem hatte jemand den Telefonhörer abgerissen.
Marie kramte in ihrem Rucksack. »Seht mal, was ich gefunden habe!«, flüsterte sie und hielt triumphierend eine Brille und eine dunkelhaarige Kurzhaarperücke hoch. »Die Sachen hatte ich noch von der letzten Theateraufführung im Jugendzentrum. Ich dachte, damit könnte ich mich als Anna maskieren. Damit der Erpresser keinen Verdacht schöpft, falls er uns wirklich beobachtet.«
Franziska pfiff leise durch die Zähne, nachdem Marie sich Brille und Perücke aufgesetzt hatte. »Wahnsinn!«, sagte sie beeindruckt. »Du siehst total verändert aus.«
Kim nickte. »Allerdings. Von Weitem könnte man dich tatsächlich für Anna halten.«
Marie rückte die Perücke gerade und zupfte eine dunkle Haarsträhne zurecht. »Leider stehen mir dunkle Haare überhaupt nicht. Sie machen mich total blass. Aber hier sieht mich ja zum Glück keiner.« Sie zog einen blütenweißen Briefumschlag aus dem Rucksack, holte die Scheine heraus und zählte sie noch einmal nach. »Genau hundert Euro.«
»So viel Geld«, seufzte Franziska. »Eigentlich ist das viel zu schade für diesen miesen Typen.«
»Bist du sicher, dass du das Geld nicht doch lieber behalten willst?«, fragte Kim.
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