Handy-Falle
sehen.
Plötzlich wurde die Musik von einer dröhnenden Stimme übertönt. »Habt ihr euch verlaufen, Mädels?«, fragte der Wirt. Er stand hinter der Theke und sah Kim, Marie und Franziska mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Der Kindergarten ist woanders.«
Er war, wie Franziska schon festgestellt hatte, wahnsinnig dick, hatte einen kahlen Schädel und jede Menge Tätowierungen auf den Unterarmen. Kim schluckte und bekam keinen Ton heraus. Was für ein schrecklicher Laden! Am liebsten wäre sie einfach abgehauen. Aber sie konnte Marie und Franziska jetzt schließlich nicht im Stich lassen.
Marie schien sich durch den unfreundlichen Empfang nicht im Geringsten einschüchtern zu lassen. Sie ging locker auf die Theke zu und setzte sich auf einen der Barhocker. Dann schenkte sie dem Wirt ein strahlendes Lächeln und sagte: »Guten Abend. Könnte ich bitte eine Cola bekommen?« Sie sah zu Franziska und Kim hinüber. »Was wollt ihr trinken? Auch Cola?«
»Gerne«, antwortete Franziska und ließ sich auf dem Barhocker neben Marie nieder.
Kim nickte nur. Der Ledertyp war fertig mit seinem Flipperspiel und musterte sie interessiert. Kim beschloss, ihren Posten neben der Tür aufzugeben, und ging schnell zu Franziska und Marie hinüber.
»Also drei Cola«, sagte Marie und fügte in munterem Plauderton hinzu: »Wir sind nämlich halb verdurstet. Eigentlich wollten wir eine Freundin in der Nordstadt besuchen, aber irgendwo müssen wir falsch abgebogen sein. Jetzt kurven wir schon eine halbe Ewigkeit in der Gegend herum, und Janas Geburtstagsparty findet ohne uns statt. So was Blödes aber auch! Sagen Sie, ist es von hier aus eigentlich noch weit bis zur Nordstadt?«
Der Wirt sah Marie finster an und machte keine Anstalten, auf ihre Frage zu antworten. Kim trat nervös von einem Bein auf das andere und schielte zur Tür hinüber. Dort hatte sich jetzt der Flippertyp aufgebaut. Mist, der Fluchtweg war verbaut!
Gerade, als das Schweigen unerträglich wurde, öffnete sich eine Schwingtür hinter der Theke und ein Junge kam heraus. Kim schätzte ihn auf ungefähr fünfzehn oder sechzehn. Sofort fing sie an, sich seine Personenbeschreibung einzuprägen: männlich, mittelgroß, dunkelbraune Haare, blaugrüne Augen und jede Menge Sommersprossen auf der Nase. Der Junge hatte Kims Blick offenbar bemerkt. Er sah sie an und lächelte ihr zu. Kim stellte fest, dass er ein ausgesprochen nettes Lächeln hatte. Plötzlich wurden ihre Knie butterweich, und sie lief knallrot an.
Der Junge trug eine fleckige Schürze über seiner Jeans, dunkle Schuhe und – eine dunkelblaue Kapuzenjacke. Kim kniff ungläubig die Augen zusammen und musterte den Jungen noch einmal schnell von oben bis unten. Aber es war kein Zweifel möglich: Vor ihnen stand der Typ, der den Briefumschlag aus der Telefonzelle geholt hatte. Annas Erpresser.
»Kundschaft, Michi«, brummte der Wirt und nickte zu Marie, Franziska und Kim hinüber. Dann begann er, ein frisches Bier zu zapfen.
»Hallo«, sagte Michi und lächelte in die Runde. »Was darf’s denn sein?«
Kims Herz schlug einen Purzelbaum. Dieses Lächeln war nicht nur nett, sondern einfach umwerfend.
»Drei Cola, bitte«, sagte Marie mit ihrer charmantesten Stimme und warf ihre langen, blonden Haare zurück. »Und zwar eiskalt, wenn’s geht.«
Kim wusste natürlich, dass Marie nur mit Michi flirtete, um ihn in Sicherheit zu wiegen und möglichst viele Informationen aus ihm herauszuholen. Trotzdem fühlte sie plötzlich stechende Eifersucht in ihrer Brust und hätte Marie am liebsten vom Barhocker gestoßen.
Michi holte drei Gläser vom Regal und begann, sie nacheinander mit Cola zu füllen. »Was hat euch denn hierher verschlagen?«, fragte er und strich sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn, die ihm aber sofort wieder ins Gesicht fielen.
Marie winkte ab. »Ach, wir haben uns verfahren. Sag mal, ist hier eigentlich immer so wenig los?«
Michi stellte die vollen Colagläser auf die Theke und zuckte mit den Schultern. »Meistens. Mittwochs und samstags ist es etwas voller, da kommen die Motorradgangs vorbei. Aber ansonsten läuft der Laden nicht mehr so gut, seit der Hafen dichtgemacht hat.«
Kim nahm einen Schluck von ihrer Cola. Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Glas auf die Theke zurückstellte. Irgendwie machte Michis Anwesenheit sie total nervös. Aber es war natürlich total unprofessionell, sich als Detektivin von seinen Gefühlen leiten zu lassen. Und Michi war immerhin ihr
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