Handyman Jack 02 - Der Spezialist
Vicky ins Bild, ein acht Jahre alter Wildfang. Ihre dunkelbraunen Zöpfe flogen, während sie ihrer Mutter eine Medikamentenflasche brachte. Jack lächelte. Er mußte jedesmal lächeln, wenn er Vicky sah. Sie war ein Schatz, und er liebte sie, als wäre sie seine eigene Tochter.
Er hatte Vickys Vater niemals kennengelernt, und nach dem zu urteilen, was er über den verstorbenen, nicht so großartigen Richard Westphalen gehört hatte, war er froh darüber. Jack wußte aus absolut zuverlässiger Quelle, daß dieser britische Bastard tot war – er kannte das Wo, Wie und Wann seines Todes –, aber seine sterblichen Überreste waren nie aufgefunden worden. Daher würde es noch Jahre dauern, bis Richard Westphalen offiziell für tot erklärt werden würde.
Gia hatte nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen, Vicky allerdings blieb eine Westphalen – die letzte der Linie.
Vicky schien ihn nicht zu vermissen. Warum sollte sie auch? Sie hatte ihn kaum gekannt, als er noch lebte, und nun hatte Jack seinen Platz mehr als vollständig eingenommen. Zumindest hoffte er das.
Er blieb noch ein paar Minuten länger stehen, unfähig, seinen Blick von den beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben zu lösen. Und es machte ihm die größten Sorgen, daß sie beide sich in einem Raum mit HIV-positiven Säuglingen befanden.
Sicher, klar, er kannte sämtliche Fakten und Daten darüber, wie sicher sie vor einer Ansteckung waren. Und das mochte auch für andere Leute durchaus in Ordnung sein. Aber hier ging es um Gia und Vicky. Und die Bedrohung war ein Virus, etwas, das man nicht sehen konnte, und nicht nur irgendein Virus. Dies hier war HIV.
HIV hatte Jack von Anfang an den größten Respekt eingeflößt. Eigentlich neigte er nicht dazu, überall eine Verschwörung zu suchen oder zu vermuten, aber HIV war so verdammt wirkungsvoll. Eine Infektion, die ausgerechnet die Waffen zerstört, die dem Körper zur Verfügung stehen, um Infektionen abzuwehren … dieses ganze Konzept sah aus wie etwas Konstruiertes, etwas künstlich Erschaffenes.
Jack war überzeugt, daß er diese beiden Menschen jenseits der Glasscheibe vor so gut wie allem beschützen konnte. Aber nicht vor einem Virus. Und sie begaben sich völlig freiwillig in seinen Wirkungsbereich.
Falls einer von beiden sich damit infizierte … er wußte nicht, was er dann tun würde.
HIV war etwas, das er nicht in Ordnung bringen konnte.
Jack riß sich von dem Anblick los und kehrte auf dem Weg zurück, auf dem er hergekommen war.
Im Flur sah er die korpulente Gladys, die eine Gruppe von Kindern im Vorschulalter anführte. Sie lächelte und nickte ihm grüßend zu, als sie an ihm vorbeiging, eine Gans mit ihren Gänseküken. Er entdeckte Hector, der den Schluß bildete.
»Hey«, sagte er und deutete auf ihn. »Wer ist dieser Junge mit der tollen Frisur?«
Jack hatte erwartet, erneut die Aufforderung »fühl mal meine Igel« zu hören oder zumindest ein Lächeln zu sehen. Aber Hectors Augen waren stumpf, als er zu Jack hochblickte. Und dann taumelte er gegen die Wand und sank auf die Knie. Ehe Jack reagieren konnte, übergab sich Hector.
»Hey!« rief Jack. »Hier gibt es Probleme!«
Gladys war innerhalb von Sekunden bei ihm. »Bleiben Sie zurück«, befahl sie Jack, während sie sich Gummihandschuhe überstreifte, die sie scheinbar aus dem Nichts hervorgezaubert hatte.
Sie ging an ein Wandtelefon im Flur, sagte ein paar Worte, dann kniete sie sich neben Hector auf den Fußboden. Jack konnte nicht hören, was sie sagte, aber er sah, daß Hector den Kopf schüttelte.
Und dann erschien Raymond – er hatte ebenfalls Gummihandschuhe übergestreift. Er nahm Hector auf den Arm und trug ihn durch den Flur. Während Gladys die anderen Kinder in ihr Spielzimmer zurückbrachte, erschien ein Hausmeister und begann, den Schmutz mit einer Flüssigkeit aufzuwischen, die nach einem starken Desinfektionsmittel roch.
Jack setzte seinen Weg fort. Er war in diesem Moment ein erstarrter Zuschauer gewesen, der nicht wußte, was er tun sollte. Die Angestellten hier hatten ihre eigenen Regeln und Routinen, von denen Jack keine Ahnung hatte. Er kam sich vor wie ein Fremder in einem fremden Land, dessen Sprache und Kultur ihm völlig unbekannt waren.
Er beschleunigte seine Schritte. Vor nur einer Stunde hatte Hector gelacht und fröhlich geplappert, und jetzt sah er aus wie eine alte Lumpenpuppe, der jemand die Füllung herausgerissen hatte.
Die fröhlichen Laute der Kinder in
Weitere Kostenlose Bücher