Handyman Jack 03 - Im Kreis der Verschwörer
Grunde war es völlig gleichgültig, wer er war. Das Hotel war voll, daher musste Mr. Jack Shelby sich eine andere Bleibe suchen. Das war der wichtigste Punkt – dass er keinen der Teilnehmer ersetzte. Wenn er das tun sollte, müsste wegen ihm etwas unternommen werden. Roma brauchte sie alle an diesem Abend hier.
Ja. Er schloss die Augen. Heute Abend.
3
Auf dem Schild in dem schmuddeligen Fenster stand:
ERNIE’S ID
ALLE ARTEN
REISEPÄSSE
TAXILIZENZEN
FÜHRERSCHEINE
Jack zog die Tür auf und trat ein.
»Hey, Jack«, begrüßte ihn der hagere Mann mit dem Bassetgesicht hinter der Theke. »Wie geht’s? Wie steht’s?« Es war keine Frage, sondern nur Ernies typische Maschinengewehrbegrüßung. »Schließ die Tür ab und dreh das Schild auf ›geschlossen‹, okay?«
Jack gehorchte, dann kam er zur Theke. Dabei ging er an Regalen voller Sonnenbrillen, bedruckbarer T-Shirts, Sportmützen und raubkopierter Videos vorbei. Ernie entwickelte Filme und fertigte Passfotos an und verkaufte im Allgemeinen alles, womit sich Geld verdienen ließ. Sein Hauptverdienst aber kam von Leuten, die jemand anders sein wollten oder zumindest als jemand anders bekannt sein wollten.
Im Lauf der Jahre hatte Ernie für Jack dutzende von Führerscheinen und Bildausweisen hergestellt.
»Du sagtest, du brauchst wieder mal einen Highschoolausweis, richtig?«, fragte Ernie und hob einen Ziehharmonikaordner vom Fußboden auf. Er entfernte das Gummiband, das ihn zusammenhielt. »Hier in der City?«
»Nein, in Hoboken.«
Ernie blätterte die Fächer des Ordners durch. Sie enthielten eine umfangreiche Kollektion von Ausweiskarten und Abzeichen von den meisten Schulen, Fabriken und Büros im Umkreis von zehn Meilen.
»Hoboken… Hoboken… wie heißt das Kind?«
Jack faltete die Fotokopien einer beglaubigten Geburtsurkunde auseinander und legte sie auf die Theke.
»Da ist er. Und du musst diese Kopie auch noch für mich notariell beglaubigen.«
Ernie besaß ein Notarsiegel. Es war das Duplikat eines gesetzlichen Notars unten im Bankenviertel.
»Klar doch.« Er schaute blinzelnd auf die Geburtsurkunde. »D’Attilio, hm? D’Attilio der Hunne, vielleicht?« Er grinste Jack an. »Einen D’Attilio sollten wir vielleicht an der St. Aloysius einschreiben.« Er suchte weiter. »Da haben wir sie.«
Er holte einen Highschoolausweis aus dem Ordner und heftete ihn an einen gelben Formularblock.
»Okay«, sagte er und begann auf dem Block zu schreiben. »Wir haben D’Attilio. Geboren?«
Jack deutete auf das Datum auf der Geburtsurkunde. »Da steht’s.«
»Habe ich. Adresse?«
Jack nannte ihm die Adresse seines Postschließfachs in Hoboken.
Ernie nickte. »JdG?«
»Was heißt das?«
Ernie hob die Augenbrauen und sah Jack an, als wollte er fragen: Muss ich es dir erst vorbuchstabieren? »J-D-G?«
Natürlich – Jahr der Graduierung. Es stand auf allen Schulausweisen.
»Mal sehen… er wird gerade sechzehn. Also wird er in zwei Jahren seinen Abschluss machen.«
»Habe ich. Und ich habe ein schönes Foto, das zu dem Namen passt. Okay. Wann brauchst du den Ausweis?«
»Es ist nicht so eilig. Nächste Woche reicht.«
»Gut. Denn ich bin ein wenig im Rückstand.«
»Der übliche Preis?«
»Ja.«
»Dann bis Montag.«
Jack drehte das Schild wieder zurück, schloss die Tür auf und trat auf die Tenth Avenue. Er schaute auf die Uhr. Es wurde Zeit, ins Hotel zurückzukehren. Er hoffte, dass man an der Rezeption ein Zimmer für ihn gefunden hatte. Irgendwie freute er sich schon darauf, sich mit der Society for the Exposure of Secret Organizations and Unexplained Phenomena zu beschäftigen. Er war noch nie zuvor ein »Kontaktierter« gewesen.
4
Jack hatte mit seinem Zimmer Glück. Ein weibliches Mitglied der SESOUP hatte wegen eines Notfalls in der Familie absagen müssen, und Jack nahm ihren Platz ein.
Er landete in einem Zimmer im fünften Stock mit Blick auf die Straße. Die Inneneinrichtung war im typischen Hoteldekor gehalten. Gipsdecke, eine dicke beigefarbene Tapete, Fernseher, Kommode und Doppelbetten, Gardinen und Vorhänge an den Fenstern und gerahmte nichts sagende Drucke von Teichen und Bäumen an den Wänden. Aber die fade Umgebung vertrieb nicht das seltsame Unbehagen, das er jedes Mal verspürte, wenn er das Gebäude betrat, als ob die Luft mit einer eisigen Energie aufgeladen wäre.
Er packte gerade die Sporttasche mit den frischen Kleidern aus, die er von zu Hause geholt hatte, als
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