Handyman Jack 05 - Todesfrequenz
Coming-out für jemanden in Kates Position bedeutete, vor allem wenn dadurch das Sorgerecht für eventuelle Kinder berührt werden konnte. Doch hier in dieser großen Stadt, weit weg von Trenton, hätte sie sicherlich den Wunsch geäußert, dass Kate sich ihrem Bruder offenbarte oder dass sie es zumindest ernsthaft in Erwägung zog.
Okay. Dann sind wir befreundet.
Hm-hm. Das war nicht Jeanette. Noch nicht einmal andeutungsweise.
Jeanette fügte hinzu: »Warum lädst du ihn heute nicht zum Abendessen ein?«
»Bist du sicher, dass du nicht wieder ausgehen musst?«
Zu einer weiteren Seance mit der Sekte?
»Ich würde viel lieber deinen Bruder kennen lernen.«
Mit dieser dritten Jeanette konnte man sicherlich viel leichter umgehen als mit der zweiten… aber sie war noch immer nicht die echte, und diese vermisste Kate schmerzlich.
»Jack ist mit einer Frau befreundet«, sagte Kate. »Vielleicht möchte er sie mitbringen.«
»Gerne. Es macht mir Spaß, neue Leute zu treffen.«
Das könnte ein seltsamer Abend werden, dachte Kate. Aber sie würde diese – wie hieß sie noch? – Gia kennen lernen. Sie erinnerte sich an das warme Leuchten in den Augen ihres Bruders, als er von ihr erzählte. Ja, Kate konnte es kaum erwarten, die Frau zu treffen, der das Herz ihres Bruders gehörte.
3
Sandy fühlte sich gut, während er durch die West Eighties wanderte. Nein, Kommando zurück, er fühlte sich phantastisch. Das Leben war riesig. Sein Schiff lief endlich in den Hafen ein. Er erahnte es jenseits des Horizonts, wo es eindeutig in seine Richtung dampfte.
Gestern war er von Tür zu Tür getrottet, von Laden zu Laden, dabei von der Ahnung erfüllt, dass alles umsonst war, während in seinem Kopf eine Stimme zu murmeln schien, dass er etwas Unmögliches versuchte. Heute hingegen trabte er an den Klinkerbauten in den Nebenstraßen und an den Restaurants und Läden auf den Avenues entlang und grinste dabei wie ein Schwachsinniger.
»Beth«, flüsterte er. Er liebte ihren Namen, seinen Klang, genoss es, wie seine Zunge und seine Lippen ihn formten: »Beth-Beth-Beth-Beth-Beth.«
Sie hatten sich in der vergangenen Nacht geliebt, nicht nur Sex gehabt. Nein, es war Liebe. Süß und zärtlich. Nicht nur zwei Körper, sondern zwei Menschen, die etwas miteinander verband. Am Morgen hatten sie sich erneut geliebt, und es war noch besser, noch schöner gewesen.
Nachdem sie in einem Café gefrühstückt und sich dabei über Gott und die Welt unterhalten hatten, waren sie aufgebrochen: Beth zu einem Seminar an die Uni und Sandy zu seiner privaten Suchmission – er feierte noch immer krank und hoffte, niemandem vom
Light
über den Weg zu laufen, während er die Straßen abgraste.
Er trennte sich nur ungern von ihr, aber ohne seine Arbeit wäre Sandy eher ein langweiliger Zeitgenosse, ein
sehr
langweiliger. Er tröstete sich damit, dass er und Beth sich zum Abendessen wiedersehen würden… und vielleicht auch noch zu mehr.
Aus den letzten achtundvierzig Stunden konnte Sandy nur eine Schlussfolgerung ziehen: Alles war möglich. Und alles fiel denen in den Schoß, die geduldig warteten.
Das machte die Aufgabe, den Erlöser zu finden, keinen Deut weniger einschüchternd – aber heute hatte er das sichere Gefühl, dass sein Bemühen von Erfolg gekrönt würde. Er wusste nicht, wie lange er dafür brauchte, doch wenn er weiterhin sein Ziel verfolgte, würde er den ersehnten Respekt und Ruhm erringen. Er brauchte nur Geduld zu haben. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
Er blieb vor einer Bar namens
Julio’s
stehen, in deren Fenster ein paar vertrocknete Grünpflanzen ihr trauriges Dasein fristeten. Die Tür stand offen, daher trat Sandy ein. Das dämmrige Innere, nach Tabaksqualm und verschüttetem Bier riechend, war geräumiger, als er erwartet hatte. Die kurze Bar erstreckte sich in einem Bogen links von ihm. Ein Schild hing über den dicht gestaffelten Reihen Spirituosenflaschen: MORGEN FREIBIER… Er lächelte. Das gefiel ihm. Aber was war mit all den abgestorbenen, vertrockneten Pflanzen?
Obgleich es noch ziemlich früh war, bevölkerten etwa ein Dutzend Männer die Bar, rauchten und tranken Bier vom Fass. Sandy zögerte, dann ging er hin und legte dem nächsten Gast seinen Identi-Kit-Ausdruck vor.
»Ich suche diesen Mann.«
Der Mann sah Sandy an, dann den Ausdruck und wieder Sandy. Er hatte ein erschöpftes Gesicht, trug eine staubige Arbeitshose und ein verwaschenes T-Shirt, auf dem früher irgendein
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