Handyman Jack 08 - Der schwarze Prophet
zu der Tür, vor der die Wagen in der Nacht geparkt hatten. Sie war verriegelt. Er hatte seine Einbruchswerkzeuge im Kofferraum des Mietwagens zurückgelassen. Dorthin könnte er zurückkehren und sie holen, aber er wollte keine Zeit verlieren.
Aus reiner Neugier ging er weiter um die nächste Gebäudeecke zu einem lastwagengroßen Doppeltor und fand die Türflügel unverschlossen. Eine schwere Kette mit massivem Vorhängeschloss lag in einem Eimer, der rechts neben dem Tor stand.
Jack schob sich zwischen den beiden Türflügeln hindurch und blieb in dem hohen, weiten Raum stehen und lauschte. Stille. Wachsam näherte er sich dem Lkw und seiner Ladung.
Als er neben der Ladefläche stand und zu der Säule hinaufschaute und die Symbole betrachtete, wünschte er sich, er hätte dieses Unternehmen ein wenig umsichtiger geplant. Er hätte eine Kamera mitbringen sollen, um den Betonklotz zu fotografieren. An der Universität von Columbia oder New York hätte sich gewiss jemand gefunden, der die Symbole übersetzen könnte. Er dachte wieder daran, zu seinem Wagen zurückzukehren, allerdings diesmal, um eine 7-Eleven-Filiale oder einen Drugstore zu suchen, in dem diese billigen kleinen Einwegkameras verkauft wurden. Er würde eine oder zwei mitnehmen und sofort hierher zurück …
Sein suchender Blick wanderte zuerst darüber hinweg, um gleich darauf zu dem kleinen bräunlichen Fleck zurückzukehren, der sowohl das gleichförmige Grau der Säule störte als sich auch sichtbar ausbeulte. Er war deutlich genug zu erkennen, um Jacks Misstrauen zu wecken.
Er ging nach links, bis er genau davor stand. Er beugte sich vor zur Ladefläche des Lastwagens, um die Erscheinung besser in Augenschein nehmen zu können. Der Fleck war rötlich braun … fast wie …
Ein eisiger Schauer rann Jack wie ein Klumpen kalten, nassen Betons den Rücken hinunter.
Er kletterte auf die Ladefläche, wo er zwecks genauerer Inspektion auf ein Knie hinunterging. Es sah aus wie Blut. Falls dieser Fleck zu dem Muster gehörte, dann war er das einzige so gestaltete Element auf dieser Seite der Säule, das Jack sehen konnte.
Er holte sein Spyderco-Endura-Messer heraus und klappte es auf. Nach einem schnellen Blick in die Runde – es war noch immer niemand zu sehen – begann er an dem Beton herumzukratzen. Schon nach wenigen kurzen Stößen mit der Klingenspitze löste sich ein vierteldollargroßes Stück Beton. Jack ließ es achtlos auf die Ladefläche fallen und berührte mit bloßem Finger die graue Bruchfläche.
Sie gab nach – nur ein wenig. Sie war weich, fest und ganz eindeutig kein Beton. Es war Fleisch. Genau genommen die Oberfläche einer Hand.
Seine Eingeweide verhärteten sich zu einem Gordischen Knoten, während er weitere Stücke der dünnen Schicht Beton entfernte, die die Knöchel bedeckte und mehr graues Fleisch freilegte. Erst den Daumen, dann den Zeigefinger – es war eine linke Hand –, danach den Mittelfinger, den Ringfinger, den …
Der kleine Finger war nur ein Stumpf … blutig!
Jack ließ auch das andere Knie auf die Ladefläche sinken und sackte in sich zusammen.
»O Scheiße«, flüsterte er. »O verdammt …«
Im Gegensatz zu Jamies war dieser kleine Finger jedoch erst vor kurzem amputiert worden. Und Jamies verstümmelter kleiner Finger hatte sich an ihrer rechten Hand befunden …
Lieber Gott!
Jack kletterte über die Säule und sah sich die gegenüberliegende Seite an. Dort fand er ebenfalls ein Symbol, das ein wenig verrutscht zu sein schien. Alle anderen waren in die Oberfläche eingeprägt, dieses wölbte sich jedoch hervor. Wieder ging er mit seinem Messer an die Arbeit …
… eine weitere Hand …. und diese ebenfalls mit einem verstümmelten kleinen Finger … vor längerer Zeit amputiert.
Jamie Grant … sie hatten sie getötet, in der vorangegangenen Nacht im Beton ertränkt … und, der Himmel sei ihm gnädig, er hatte draußen gestanden und zugeschaut. Das kleine Leck, das er an der Naht zwischen den beiden Röhrenhälften beobachtet hatte… hatte Jamie etwa versucht, sich aus der Röhre zu befreien? Hatte sie es geschafft, diesen kleinen Spalt mit den Fingern zu öffnen, ehe sie keine Luft mehr bekam?
Jack spürte, wie ein schmerzhafter Druck in seiner Brust zunahm. Er schlug mit der Faust auf die kalte raue Oberfläche der Säule ein.
Er hatte sie im Stich gelassen.
Wenn er doch nur Bescheid gewusst hätte. Vielleicht hätte er sie retten können … oder er hätte es zumindest versuchen
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