Handyman Jack 08 - Der schwarze Prophet
Tempel. Nun ja, vielleicht tat er das. Trotzdem vermisste er sie.
Da sie nicht mehr zu Hause war und auf ihn wartete, verbrachte er neuerdings mehr Zeit als je zuvor mit seinem Job. Er hatte das Gefühl, dass er das der Kirche und Brady schuldig war, und nicht nur wegen des guten Gehalts, das sie ihm zahlten.
Er war es ihnen schuldig, weil er ein Schwindler war.
Als er die oberste Stufe der Fusions-Leiter erreicht hatte, musste sich Jensen der vernichtenden Erkenntnis stellen, dass er ein Null war. Irgendwann auf dem langen Weg war sein Xelton in ein Koma gefallen, aus dem es nicht mehr erwachen würde, und so hatte Jensen es zu keiner Art von Fusion gebracht, geschweige denn zur Vollständigen. Alles, was er beim Hinaufsteigen der FL erlebt hatte, war eine Schein-Fusion gewesen, eine Form des Null-Selbstbetrugs.
Er wünschte sich die Fusion so sehr, dass er sich einbildete, sie tatsächlich erlebt zu haben.
Aber das konnte er niemandem erzählen. Es würde seinem Status innerhalb der Kirche sofort jeglichen Boden entziehen. Der HR mochte ihn deswegen vielleicht zum TP degradieren, aber kein Null konnte ein GP sein.
Er hatte große Schwierigkeiten, sein Unglück vor Brady und den Mitgliedern des Hohen Rates zu verbergen, während sie herumsaßen und Geschichten über ihre Kräfte zum Besten gaben, die sie durch die Vollständige Fusion erlangt hatten. Jensen konnte nicht schweigend daneben sitzen – sie würden sich sofort fragen, weshalb. Daher war er gezwungen, Geschichten über Levitationen oder über das Verlassen seines Körpers zu erfinden.
Glücklicherweise war niemand verpflichtet, seine Kräfte zu demonstrieren. Luther Brady hatte von Anfang an klargemacht, dass eine solche Form von Exhibitionismus nicht toleriert würde. Und wenn er nun nicht der einzige Null wäre, der seine Schein-Fusion verschwieg? Wenn andere Mitglieder des HR ebenfalls Nulls waren und es nicht zugaben? Wenn sie, ebenso wie Jensen, die phantastischsten Geschichten erfanden, um die Wahrheit zu verschleiern?
Das waren schlimme Tage gewesen. Er war sogar so weit gegangen, den Vorschlag zu machen, Brady und der Hohe Rat sollten sich treffen und gemeinsam levitieren. Die schockierten Blicke von den Mitgliedern des HR – und zwar von jedem – hatten seinen Verdacht bestärkt.
Brady hatte die Versammlung abrupt abgebrochen und Jensen in seine privaten Räume mitgenommen.
Dort hatte er aus einem besonderen Schrank ein Buch geholt und es vor ihm auf den Tisch gelegt. Zu Jensens großer Verwunderung war der Titel, Das Kompendium von Srem, in Yoruba geschrieben, seiner Muttersprache. Er schlug das Buch auf und blätterte darin.
Dann kam der nächste Schock, als Brady eine der Passagen zu übersetzen begann.
Jensen erinnerte sich genau, wie er gefragt hatte:
»Sie sprechen Yoruba?«
Brady schüttelte lächelnd den Kopf. »Kein einziges Wort. Wenn ich auf diese Seiten blicke, sehe ich englische Worte. Wenn ich in Frankreich geboren und aufgewachsen wäre, würde ich einen französischen Text sehen. Egal, was Ihre Muttersprache ist, Sie würden sie hier lesen können.«
Darüber hatte Jensen nachgedacht. Er hatte schon sehr früh Englisch gelernt – in seinem Fall war es praktisch seine Muttersprache. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf Erinnerungen an den Anfang seines Englischunterrichts, zwang die Sprache in sein Bewusstsein, von wo sie das Yoruba verdrängte. Dann schlug er die Augen auf.
Für einen kurzen Moment erschien der Text vor ihm auf Englisch, dann verwandelte er sich wieder in Yoruba.
Es war kein Trick. Aber wie …?
»Sehen Sie hier.«
Brady blätterte nach hinten bis zu einer seltsamen Illustration. Es war die Erde, die mit kreuz und quer verlaufenden Linien und zahlreichen Punkten übersät war.
Die Zeichnung rotierte auf der Buchseite.
Jensen hatte nur staunen können – und sich bemüht, nicht zu glauben, was er vor sich sah. Doch das Aussehen und das Gefühl beim Berühren dieses Buchs, seine unheimliche Leichtigkeit, das seltsame Material seines Einbands, all das war so grundlegend anders als alles, was ihm in seinem Leben jemals begegnet war, dass er keine andere Wahl gehabt hatte als alles zu glauben.
Brady hatte ihm erklärt, welche Bedeutung die Zeichnung hatte, und er hatte ihm von Opus Omega erzählt. Und in diesem großen Projekt hatte Jensen eine Möglichkeit der Rettung, der Erlösung gesehen.
Alle, die bei der Erfüllung des Opus Omega mithalfen, würden erlöst werden, wenn sich
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