Handyman Jack 10 - Der Erbe
Gedanke auch sein mochte, war nicht vollkommen ausgeschlossen. Jack wusste, falls er sie verlöre, wäre er am Boden zerstört, aber ihr Tod hätte weit ernstere Konsequenzen.
Das Baby hätte dann keinen amtlichen Vater. Jack – der dazu zum ersten Mal, seit er abgetaucht war, seinen echten Nachnamen benutzen würde – würde in den Geburtsunterlagen des Krankenhauses aufgeführt werden, war aber nirgendwo anders gelistet. Der fragliche Mann hatte nie eine Steuererklärung abgegeben, also wäre das Finanzamt sicherlich darauf erpicht, mit ihm zu reden. Und die Heimatschutzbehörde wäre noch viel stärker an ihm interessiert. Ein Mann ohne Identität, ohne offiziellen Lebenslauf … wenn da nicht alle Alarmglocken »Terrorist« schrillen würden, dann konnten sie die ganze Behörde gleich einstampfen.
Vielleicht ließ sich das alles in Ordnung bringen, ohne dass er ins Gefängnis müsste, aber das würde Jahre dauern. Und so lange würden Vicky – die er als sein Adoptivkind ansah – und sein leibliches Kind bei Gias Familie in Iowa leben müssen. Jack hatte Gias Eltern nie kennengelernt, war sich aber sicher, das waren gute Leute. Und als solche wären sie bemüht, ihre Enkel vor einem so schlechten Umgang wie Jack zu schützen. Vicky wäre für immer für ihn verloren – da er nicht blutsverwandt mit ihr war, hatte er auch keinerlei Ansprüche –, und um sein eigenes Kind würde er kämpfen müssen. Ein Vormundschaftsprozess für das Baby würde hässlich werden und zweifellos zu seinen Ungunsten ausgehen.
Es gab nur eine Möglichkeit, dieses Schreckensszenario zu verhindern: Er musste ein ehrbarer Bürger werden – wiedergeboren als jemand mit einer sauberen Akte. Jemand ohne Angehörige, ohne behördliche Altlasten.
Abes Idee war perfekt gewesen: Jack musste die Identität eines Ausländers annehmen, von jemandem, der gestorben, aber nicht als tot gemeldet worden war. Jemand, der keine Familie hatte, die nach ihm suchen würde.
Wo konnte man so jemanden finden?
»Was hat er gesagt? Hat er jemanden gefunden?«
Abe nickte, rutschte hinter seinen Tresen und zückte einen gelben Notizblock.
»Du wirst Mirko Abdic sein.«
»Und der wäre?«
»Er war. Er war ein kroatischer Christ, der im Bosnienkrieg als Laufbursche für einen Geschäftspartner gearbeitet hat – ein Junge, den er von der Straße geholt und bei sich aufgenommen hat. Er hat ihn dazu eingesetzt, Nachrichten zu übermitteln, wenn die Kommunikationsnetze zusammenbrachen – was da wohl dauernd passiert. Der kleine Mirko wurde von einer der vielen serbischen Milizen gefangen genommen, gefoltert und getötet. Mein Geschäftspartner hat sie aufgespürt und von der Geschichte erfahren. Und da niemand danach gefragt hat und weil es auch niemanden gekümmert hat, hat er es nicht für nötig gehalten, Mirkos Ableben zu melden.«
»Aber gibt es eine offizielle Geburtsurkunde? In diesen Dritte-Welt-Ländern weiß man ja nie.«
»Gibt es. Mein Geschäftspartner hat das überprüft.«
»Vorstrafen?«
Abe schüttelte den Kopf. »Er ist nie verhaftet worden. Wenn er länger gelebt hätte, hätte er sicherlich auch eine dicke Akte gehabt. Und weil er als Christ geboren und getauft worden ist, wird er hier auch nicht so durchleuchtet werden, wie das bei einem Moslem zu erwarten wäre.«
Jack überlegte. Vor ein paar Minuten war der Plan noch etwas Abstraktes gewesen, eine vage Möglichkeit. Jetzt war er Realität. Jack war unschlüssig, wie er dazu stand. Er war erleichtert, weil sich eine Lösung gefunden hatte, aber darin mischte sich auch ein unbestimmter, aber nicht zu leugnender Widerwillen.
»Was ich weiß, weißt du jetzt auch.« Abe musterte ihn. »Aber bei dir wird sich eine Menge ändern.«
»Als ob ich das nicht wüsste. Alles wird sich ändern.«
»Nicht alles. Du bleibst immer noch Jack, nur mit einem anderen Namen.«
»Vielleicht bin ich dann immer noch Jack, aber Handyman Jack kann ich nicht mehr sein.«
»Und das ist echt eine Schande.«
Jack zuckte mit den Achseln. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, Jack an den Nagel zu hängen und ein neues Kapitel aufzuschlagen.«
»Und schon wirfst du die Metaphern durcheinander.«
»Na, es ist einfach zu gefährlich, im Problemlöser-Business zu bleiben.«
Nicht nur für ihn, sondern auch für seine zukünftige Familie.
Er hatte immer versucht, seine Aufträge auf Distanz zu halten, immer im Hintergrund zu bleiben, sich nicht sehen zu lassen. Im besten
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