Handyman Jack 10 - Der Erbe
Lauderdale/Hollywood International –, hatte er in der Tasche gewühlt und die Schlüsselkarte gefunden, die er von Anya bekommen hatte, als er seinen Vater besuchte.
Also hatte er nicht in einem der dortigen Hotels eingecheckt, sondern hatte sich ein Auto gemietet und war nach Süden ins Landesinnere gefahren, in Richtung der Everglades und Gateways.
Er trat ein und schloss die Tür hinter sich. Die Rollläden waren heruntergelassen und eine Welle von Traurigkeit brandete gegen ihn an, während er da in der kühlen Dunkelheit stand.
Als sein Vater das Haus verlassen hatte, war er davon ausgegangen, dass er zurückkehren würde, um den Verkauf abzuschließen und alles für den Umzug zurück in den Norden vorzubereiten. Sein erster Versuch, das Haus zu verkaufen, war gescheitert, weil der Käufer gestorben war. Er hatte einen anderen Interessenten gefunden, aber dieses Mal war es der Verkäufer, der nicht lange genug lebte, um das Geschäft perfekt zu machen.
Als er durch das Wohnzimmer ging, beschloss er, die Rollläden unten zu lassen. Er würde sowieso nicht länger als zwölf Stunden hier sein und den größten Teil dieser Zeit war es draußen dunkel. Es gab also keinen Grund, sie hochzuziehen – zumal er ja gar nicht hier sein sollte.
Er ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und lächelte beim Anblick von vier Flaschen Ybor Gold. Er hatte die Biermarke bei seiner letzten Reise hierher entdeckt und es sah so aus, als ob er auch seinen Vater zu einem Liebhaber bekehrt hatte.
Er öffnete eine Flasche und spazierte zurück in den Wohn-/Esszimmerbereich. Er bemerkte, dass die Bilder von den Wänden abgehängt und die Regalböden mit den Pokalen leer waren.
Sein Vater hatte sich auf den Umzug vorbereitet.
Er blieb an der Tür zum Schlafzimmer stehen. Die ganzen Familienfotos an den Wänden waren abgehängt. Nur auf der Kommode standen noch welche: Toms drei Kinder, die zwei von Kate und ein Familienfoto von Mom, Dad, Tom, Kate und dem acht Jahre alten Jack – oder »Jackie«, wie er damals gerufen wurde.
Er hatte einen Kloß in der Kehle, als er sich die lächelnden Gesichter ansah.
Ich bin als Einziger übrig.
Er ging zum Kleiderschrank, wo die hässlichen Hawaiihemden immer noch hingen. Hinten in der Ecke stand das M1C-Scharfschützengewehr, das er mit seinem Vater beim letzten Mal gekauft hatte, um eine bestimmte Sache zu erledigen. Er war aber mehr an dem alten grauen Metallkasten auf dem Regal darüber interessiert. Als er ihn das erste Mal gesehen hatte, war er verschlossen gewesen. Jetzt nicht.
Er klappte ihn auf und wühlte in den Fotos von Dads alten Armeekameraden aus Korea, bis er die kleine Schmuckdose fand. Er ließ den Deckel aufschnappen und zum Vorschein kamen das Purple Heart und der Silver Star. Jack blickte einen Augenblick auf sie hinunter, dann ließ er den Deckel zuschnappen. Die Fotos und die Orden würden Ron nichts bedeuten und Toms Höllenschlampen noch weniger. Wahrscheinlich würden sie sie bei erster Gelegenheit bei eBay verscherbeln.
Aber Jack bedeuteten sie etwas – eine Menge sogar. Sie waren alles, was ihm von seinem Vater geblieben war, Erinnerungen an den Teil seines Lebens, den Dad vor seiner Familie verborgen gehalten hatte, den Krieg, den er gern hinter sich gelassen hätte.
Jack schloss den Kasten und nahm ihn mit in die Küche, wo er sich ein neues Bier holen wollte. Aber als er die Tür öffnete, bemerkte er eine grüne Flasche oben auf dem Kühlschrank. Er nahm sie herunter. Auf dem Label stand THE SCOTCH MALT WHISKY SOCIETY, CASK 12.6. Ein Geschenk von Onkel Stu an Dad. Jack erinnerte sich an Dads Trinkspruch, als sie zusammen ein Glas getrunken hatten.
Auf den besten Tag meines Lebens in den letzten 15 Jahren.
Jack erinnerte sich an das Brennen in seiner Kehle, aber jetzt brannte es in seinen Augen.
Er goss sich einen Schluck ein und nippte. So gut, wie er ihn in Erinnerung hatte. Nein, gut war hier das falsche Wort. Fabelhaft traf es eher.
Er stellte die Flasche auf den Metallkasten. Auch die würden die Höllenschlampen auf keinen Fall in die Finger bekommen.
Ihm war zu melancholisch zumute, um fernzusehen. Er würde einfach nur dasitzen und etwas trinken, dann früh zu Bett gehen. Er musste noch zu nachtschlafender Zeit zurück nach Fort Lauderdale und um sechs Uhr an dem Liegeplatz sein.
Dienstag
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1.
Jack schreckte hoch und sah auf die roten LED-Ziffern auf dem Wecker seines Vaters: 3:15. Hatte er geträumt? Oder hatte
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