Handyman Jack 10 - Der Erbe
vielleicht auch jünger erscheinen. Sie trug kein Make-up und ihr Haar war kurz und unfrisiert.
Sie trat vor und streckte ihm die Hand entgegen, als er eintrat. Sie stellte sich als Dr. Malinda Stokely vor.
»Nennen Sie mich Jack.« Er schüttelte die dargebotene Hand. Sie hatte einen festen Griff. »Wie geht es ihnen?«
»Setzen wir uns doch.«
Setzen? Das klang nicht gut. Sich setzen war das Letzte, was er wollte. Er hatte schon stundenlang gesessen. Aber er wollte nicht mit ihr streiten. Er nahm den ihm angebotenen Stuhl. Sie setzte sich ihm gegenüber.
»Sagen Sie es mir direkt: Sind sie am Leben?«
»Ja …«
Jack sackte erleichtert zusammen.
»… aber ihr Zustand ist sehr kritisch.«
Er richtete sich wieder auf. Bitte nicht.
»Und was heißt das?«
»Ich weiß nicht, was Sie bereits wissen …«
»Ich weiß, dass sie von einem Auto angefahren wurden, aber das ist auch schon …«
Die Stimme versagte ihm. Er hatte eine ziemlich klare Vorstellung, wer da gefahren war. Da war noch eine Rechnung offen. Eine riesengroße Rechnung, vor der alle anderen Rechnungen verblassten. Doch das konnte warten. Das musste warten. Nichts war wichtiger, als dass Gia und Vicky das hier überstanden.
»Sie haben beide schwere Verletzungen im Bereich des Bauches, der Brust und des Schädels erlitten. Ihr Zustand ist im Augenblick stabil, aber …«
Seine Zunge war wie Schmirgelpapier. »Aber was?«
»Die Kopfverletzungen sind sehr schwer, vor allem bei Ihrer Frau. Wir mussten ein subdurales Hämatom drainieren.«
Vielleicht hätten die Worte an einem guten Tag einen Sinn für ihn ergeben, aber heute hätte sie genauso gut Suaheli sprechen können.
»Bitte noch mal zum Mitschreiben!«
»Sie hatte eine Hirnblutung – eine Blutansammlung zwischen Schädelknochen und Gehirn. Die hat Druck auf das Gehirn ausgeübt, deswegen haben wir sie entfernt.«
»Wie …?« Jack winkte ab, als sie zu einer Erklärung ansetzen wollte. »Schon gut.« Manche Dinge wollte er gar nicht wissen.
»Ihre Tochter hatte interkranielle Blutungen, die jedoch von selbst zum Stillstand gekommen sind.«
»Ich vermute, das ist eine gute Nachricht.«
»Na ja …« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Sie sind beide nicht ansprechbar.«
Nach einer Schrecksekunde und einem kurzzeitigen Aussetzen seines Herzschlags fing er sich wieder. Gut. Sie lagen also im Koma. Damit konnte er umgehen. Sein Vater hatte letztes Jahr in Florida im Koma gelegen und er hatte sich davon wieder vollkommen erholt. Es hatte nicht einmal eine Woche gedauert, bis er wieder auf den Beinen war, nachdem er bei einem Unfall mit Fahrerflucht angefahren worden war –
Ein Unfall mit Fahrerflucht … hatte das etwas zu bedeuten? Gab es eine Verbindung?
Nein. Das konnte nicht sein. Er hatte herausgefunden, wer seinen Vater über den Haufen gefahren hatte, und die waren jetzt im buchstäblichen Sinne des Wortes Fischfutter.
»Wie sind ihre Glasgow-Werte?«
Sie sah ihn überrascht an: »Sie sind mit der Glasgow-Koma-Skala vertraut?«
Bei der Sache in Florida hatte er gelernt, dass es drei verschiedene Komastufen gab.
»Ein bisschen.« Er wappnete sich gegen die Antwort. Sein Vater hatte zu Anfang bei sieben gelegen, was der Neurologe schon als ziemlich kritisch erachtet hatte. »Welche Werte?«
»Acht – in beiden Fällen die gleiche Acht: E2 V2 M4.«
Nun, das war besser, als es bei seinem Vater gewesen war.
»Was hat das mit diesem E2-Kram auf sich?«
»Daraus setzt sich der Wert zusammen. Beide Patientinnen öffnen die Augen als Reaktion auf Schmerz – dafür steht die erste Zwei. Die Geräusche, die sie von sich geben, sind unverständlich – noch einmal eine Zwei. Sie weichen vor Schmerz zurück – das ist eine Vier. Ich vermute, Sie wissen, dass ein Wert von acht oder darunter immer eine schwere Hirninsuffizienz bedeutet.«
»Wie stehen ihre Chancen?«
»Es ist zu früh, dazu etwas zu sagen.«
Er sprang von seinem Stuhl hoch und lief um ihn herum. Er konnte nicht still sitzen.
»Ich muss sie sehen, Frau Doktor. Ich kann nicht anders.«
Sie nickte, als sie sich ebenfalls erhob. »Natürlich. Aber nur für ein oder zwei Minuten.«
Er fühlte sich, als würde er unter Wasser marschieren, während er ihr zum Aufzug folgte. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm etwas sagte, als sie mit dem Fahrstuhl zur Intensivstation hochfuhren, aber er hörte die Worte nicht. Der Versuch, sich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass die beiden Menschen, die ihm am
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