Handyman Jack 10 - Der Erbe
Mund. Cal bemerkte, dass die weit aufgerissenen leeren Augen jetzt blau waren, die Farbe, die sie wohl gehabt hatten, bevor er Oculus wurde.
Aber das war noch nicht das Schlimmste. Als Tüpfelchen auf dem i hatte der Mörder – und Cal hatte kaum einen Zweifel daran, wer das war – aus den Eingeweiden des Oculus einen kreisrunden Rahmen gebildet und so eine makabre Parodie von Da Vincis vitruvianischem Menschen geschaffen.
Als Cal den Blick endlich von diesem Diorama abwenden konnte, bemerkte er eine Reihe roter Objekte auf dem Schreibtisch. Er trat mit weichen Knien einen Schritt näher und stellte fest, dass es sich um Herzen handelte. Acht Herzen, von denen sieben in einem exakten Kreis um das achte angeordnet waren. Es sah aus wie eine grässliche Parodie auf Stonehenge.
Er schloss die Augen. Es bestätigte das, was er bereits vermutet hatte: Die drei Yeniceri aus dem Obergeschoss hatte das gleiche Schicksal ereilt wie die aus dem Erdgeschoss.
Und dann ein Schluchzen – von rechts – hinter der Tür zu den Privaträumen.
Diana – sie war noch am Leben. Warum? Warum tat er ihrem Vater so etwas an und verschonte dann sie? Es ergab keinen Sinn.
Das war nur ein Punkt mehr auf der immer länger werdenden Liste mit Dingen, die keinen Sinn ergaben.
Er rannte zu der Tür und stellte fest, dass sie verschlossen war. Nein, mehr als das. Sie saß fest.
»Diana? Ich bin es, Davis. Du bist jetzt in Sicherheit. Bleib weg von der Tür. Ich komme herein.«
Er sah zu Miller und den anderen hinüber, die stockstarr in der Gegend herumstanden.
»Hey! Gebt mir Deckung!«
Sie schreckten hoch und postierten sich um die Tür, während Cal mit der Schulter dagegen anrannte. Einmal, zweimal, beim dritten Mal brach er durch. Als er hineinstolperte, hockte Diana da auf dem Fußboden, mit gesenktem Kopf, das Gesicht in den Händen vergraben, der Körper von ihrem Schluchzen geschüttelt.
Cals erster Impuls war es, sie zu greifen und in Sicherheit zu bringen, aber er wollte ihr den Anblick des Blutbads im Vorzimmer ersparen. Also wich er von der üblichen Vorgehensweise ab und sicherte hastig allein den Raum.
Als er sich vergewissert hatte, dass sie allein waren, kniete er neben ihr und wollte ihr den Arm um die Schultern legen, aber sie war erst 13, und er wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde.
»Du bist in Sicherheit, Diana.«
»Papa«, flüsterte sie zwischen den Händen hindurch.
Gute Güte.
»Hast du es gesehen?«
»Nein, aber ich weiß, dass er tot ist.«
»Wieso …?«
Sie sah ihn mit tränenfeuchten Augen an … vollkommen schwarzen Augen, so schwarz wie es die ihres Vaters gewesen waren.
»Weil ich jetzt euer Oculus bin.«
26.
»Mister Westphalen?«
Jack hörte die Stimme, reagierte aber nicht sofort. In den letzten Stunden hatte er mindestens 100 Namen gehört, keiner davon seiner. Er hatte am hinteren Ende der Wartezone Platz genommen und war in einen kaum funktionsfähigen Zustand zusammengesunken, kurz vor dem Wachkoma.
»Mister Westphalen?«
Dann registrierte er, dass die Stimme nach ihm rief. Er schoss hoch und sah sich um.
»Das bin ich.«
Eine Frau mittleren Alters stand im Durchgang zur Wartezone. Sie hatte ein Klemmbrett in der Hand und sah ihn erwartungsvoll an. Er hatte gesehen, wie die Schichten gewechselt hatten. Sie war jetzt die diensthabende Oberschwester.
Sein Herz hämmerte bis in die Kehle hoch, als er sich durch das Wartezimmer drängte, links und rechts mit Leuten zusammenstieß und kaum registrierte, wenn er mit »Hey!« und »Passen Sie doch auf!« bedacht wurde. Seine Gedanken galten nur Gia und Vicky. Er wusste, es war nicht mit guten Nachrichten zu rechnen, hoffte aber inständig, es würden nicht die schlimmsten sein.
Schließlich erreichte er sie.
»Was ist los? Ist etwas passiert?«
Ihr Gesicht verriet ihm gar nichts. Wahrscheinlich wusste sie auch nichts.
»Doktor Stokely möchte mit Ihnen sprechen.«
Jack blickte über ihre Schulter. »Wo ist er?«
» Sie . Sie ist eine unserer Unfallärztinnen – diejenige, die Ihre Frau und Ihre Tochter versorgt hat. Sie wartet in einem der Behandlungsräume auf Sie. Ich führe Sie hin.«
Jack folgte ihr in einen kleinen Raum mit Fenstern auf drei Seiten. Die Vorhänge waren aufgezogen. Durch das Glas sah er eine dunkelhäutige Frau in grüner, schweißfleckiger OP-Kleidung. Sie schien in Jacks Alter zu sein – Mitte 30 –, aber die überflüssigen zehn bis 20 Kilo, die sie mit sich herumschleppte, ließen sie
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