Handyman Jack - Story-Sammlung
dem Nichts auftauchen«, erwiderte der Mann mit tiefer, heiserer Stimme. Die Zigarette zwischen seinen Lippen wippte auf und ab wie der Taktstock eines Dirigenten. »Wir kriegen hier draußen nicht viel Besuch. Was ist passiert? Ist dem Boot der Sprit ausgegangen?«
Gil registrierte missbilligend das ›wir‹, spielte aber mit. Ein Boot ohne Benzin war eine einigermaßen plausible Erklärung dafür, hier mitten im Nirgendwo zu sein.
»Ja. Ich musste es irgendwo da hinten bis zum Ufer paddeln«, sagte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter.
»Na ja, ich habe kein Telefon, mit dem Sie jemanden anrufen könnten …«
Kein Telefon! Gil musste sich zusammenreißen, um nicht in Jubelgeschrei auszubrechen.
„… aber ich kann Sie bis zum Jachthafen runterfahren und wieder zurück, damit Sie sich Benzin besorgen können.«
»Das hat keine Eile.« Er kam näher und lehnte sich an den Kotflügel des alten Torino. »Leben Sie hier ganz allein?«
Der alte Mann blinzelte ihn an, als versuche er ihn wiederzuerkennen. »Ich glaube nicht, dass wir uns schon einmal vorgestellt wurden.«
»Oh, natürlich.« Gil streckte ihm die Hand entgegen. »Rick … Rick Summers.«
»Und ich bin George Haskins.« Der Mann hatte einen festen Händedruck.
»Was bauen Sie hier an?«
»Karotten. Es heißt, Karotten sind gut für die Augen. Meine sind so schlecht, dass ich so viele Karotten wie möglich esse.«
Halb blind und kein Telefon. Das klang immer besser. Wenn er jetzt noch herausfinden könnte, wer der Rest von dem ›wir‹ war …
Er sah sich um. Obwohl er sich hier mitten in der Wildnis befand, am Ende einer unbefestigten Straße, die nur der Postbote und der alte Knacker hier kannten, fühlte er sich wie im Rampenlicht. Allen Augen ausgesetzt. Er wollte ins Haus.
»Sagen Sie … ich könnte eine Tasse Kaffee vertragen, Mr Haskins. Glauben Sie, Sie könnten eine erübrigen?«
George zögerte. Wenn er diesem Fremden Kaffee spendierte, musste er ihn dazu ins Haus bitten. Der Gedanke gefiel ihm gar nicht. Er hatte seit den Sechzigerjahren, als er die Untermieter aufgenommen hatte, keine Besucher mehr im Haus gehabt. Und auch davor nur sehr selten. Die Leute wollten nicht so weit rausfahren, und George war das sehr recht. Die meisten Leute neigten zur Neugier. Sie wollten wissen, warum man ganz allein so weit draußen wohnte. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass jemand bei klarem Verstand die eigene Gesellschaft der ihren vorzog.
Und dann war da natürlich noch die Sache mit seinen Untermietern.
Er musterte diesen jungen Mann, der da aus dem Nichts aufgetaucht war. Seine Augen wurden nicht besser – »der graue Star wird unaufhaltsam voranschreiten«, hatte sein Arzt ihm gesagt –, aber er sah deutlich, dass der Fremde nicht für eine Bootsfahrt gekleidet war, nicht mit diesem blauen Flanellhemd und den grauen Jeans. Und dazu Lederschuhe! Niemand, der sich mit Booten auskannte, trug an Bord Lederschuhe. Andererseits konnte sich heutzutage jeder ein Boot kaufen, der das Geld dafür auf den Tisch legte. Diese Landratte verstand wahrscheinlich nicht das Geringste von Booten. Darum stand er wohl auch hier, statt im Hafen herumzuschippern.
Eigentlich schien er ganz nett. Und sah auch gut aus, mit seiner muskulösen Figur und dem lockigen dunklen Haar. Sicherlich hatte er bei Frauen leichtes Spiel. Mehr noch als andere Männer, denn bei dem, was George von der Welt da draußen wusste, hatte man bei Frauen heutzutage immer leichtes Spiel.
Vielleicht konnte er es riskieren, ihm einen Kaffee zu spendieren, bevor er ihn zum Yachthafen hinüberfuhr. Was sollte schon passieren? Die Untermieter waren Langschläfer und vernünftig genug, sich bedeckt zu halten, wenn sie über sich fremde Stimmen hörten.
Er lächelte. »Kaffee? Ja, sicher. Kommen Sie rein. Und nennen Sie mich George. Das tut jeder.« Er ließ seine Zigarette auf den sandigen Boden fallen und trat die Glut aus, dann wandte er sich dem Haus zu.
Nur ein schneller Kaffee und dann würde er ihn wieder wegschicken. Je länger er blieb, desto größer war die Gefahr, dass er etwas von den Untermietern mitbekam. Das konnte George nicht riskieren. Er war mehr als nur ihr Vermieter.
Er hatte geschworen, sie zu beschützen.
Gil folgte dem alten Mann die zwei Stufen zur Haustür hinauf. Das Halbdunkel im Innern roch muffig und nach dem Zigarettenrauch von Jahren. Er überlegte, wann George wohl das letzte Mal gelüftet hatte.
Aber im Haus zu sein war ein
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