Hanibal
sicher bin.«
»Sicher wessen?«
»Vorgestern hätte ich beginnen müssen zu bluten. Die Nacht in der Taverne von Vektis.«
Antigonos zog sie noch näher an sich und küßte sie. »Es wäre wunderbar«, sagte er halblaut. »Hoffentlich ist es nicht nur eine Verspätung.«
Als Tsuniro eingeschlafen war, rang er noch immer mit sich. Die Worte des Schmieds wurden zu einer düsteren Drohung.
Wo sollte ein dunkelfarbiger Sohn Fürst werden – wenn nicht tief im Süden Libyens? Irgendwelche Mächte, die sich seinem Verstand entzogen, schienen all dies bereits beschlossen zu haben. Er bezweifelte, daß er Unausweichliches durch Schweigen verhindern konnte, beschloß aber, es nicht durch Reden zu fördern. In dieser Nacht träumte er von tanzenden Steinen und blutigen Schwertern.
Am Morgen sprang der Wind um; er war wärmer und kam von Westen. Zwei Tage kämpfte die Schwinge mit Wind und Wellen; dann ließ Hiram wenden. »Es ist sinnlos«, sagte er. Die Erschöpfung hatte tiefe Rinnen in sein Gesicht gerissen.
»Vollkommen sinnlos, Herr Tiggo.«
Antigonos betrachtete die müden Männer; auch er und Tsuniro waren erschöpft, denn in den letzten beiden Tagen hatte niemand schlafen können. Zu stark waren Wind und Wogen, zu wüst die Bewegungen des Schiffs.
»Ja, mein Freund. Ich weiß. Wir werden den Winter in Vektis verbringen.«
Im mittleren Frühjahr erreichten sie Gadir. Nachdem sie Wasser und Vorräte aufgefrischt hatten, schlossen sie sich einer großen Flotte an: Hundert Schiffe, die fast achttausend iberische Söldner nach Qart Hadasht bringen sollte. Enge und Gestank an Bord der Schiffe waren entsetzlich. Die Segler waren kaum größer als die Schwinge des Westwinds, die mit Kapitän, Steuermann und fünfzehn Matrosen vollbesetzt, mit Tsuniro, Memnon und Antigonos übervoll war. Entsprechend langsam kam die Flotte voran; spätestens jeden dritten Tag mußte ein Hafen angelaufen werden, um Wasser und Vorräte zu ergänzen und den Männern ein paar Stunden Platz für Bewegung zu verschaffen.
Dennoch fiel die mit leichter Fracht und verhältnismäßig wenigen Menschen beladene Schwinge immer weiter zurück: Sie zog Wasser. Im großen Hafen von Rusadir, in Siga, in Qartenna und Igilgili verloren sie Tage mit Teilausbesserungen. In Khullu ließ Hiram noch einmal ein paar schwammige Planken ersetzen.
»O mein Herr Tiggo«, sagte er, als er den Laderaum erneut untersucht hatte. »Dies ist das Ende der Fahrt. Mit den neuen Planken können wir umkehren, nach Igilgili. In den großen Werften dort wird man die Schwinge wieder neu machen – fast neu.«
»Wie lange?«
»Fünfzehn, zwanzig Tage – vielleicht mehr. Die Ladung muß gelöscht, das Schiff ins Dock gebracht, das Dock geleert werden. Erst dann läßt sich alles wirklich ausbessern. Wir werden einen neuen Bronzebeschlag brauchen.«
Antigonos kaute auf der Unterlippe. Im Hafen von Khullu lagen ein paar Fischer und kleinere Frachter. In den Tavernen hieß es, das Land sei ruhig – noch. Wie die anderen punischen und libyphönikischen Städte der Küste war auch Khullu stark befestigt. Im Herbst hatte der punische Kommandant mit der Bewaffnung und Ausbildung einer freiwilligen Bürgerwehr begonnen. Fünf punische Offiziere, hundert mauretanische Bogenschützen und hundertfünfzig iberische Fußkämpfer konnten ohne Hilfe der Einheimischen nicht hoffen, den Ort zu halten, wenn die Kämpfe sich weiter von Qart Hadasht ausdehnen sollten.
»Warte. Ich will zwei Dinge mit Tsuniro und Memnon bereden.« Antigonos ließ den Kapitän am Fuß des Mastes zurück und stieg aufs Achterdeck.
Noch am selben Nachmittag liefen zwei Schiffe aus. Hiram hatte zehn Männer aus Khullu angeheuert; sie sollten helfen, die Schwinge gegen den Westwind nach Igilgili zu rudern. Tsuniro und Memnon würden in Igilgili im Haus eines Geschäftsfreundes bleiben. Der Abschied war kurz und schwer.
»Herr meines Herzens – mußt du…?« Tsuniro hielt ihn an den Ohren gefaßt. Memnon blickte mit großen Augen zwischen beiden hin und her. Antigonos nahm den Sohn auf die Arme.
»Es heißt, die Söldner belagern Hipu jetzt auch von der See.
Flotten können sich durchkämpfen, aber niemand hier will mit einem kleinen Boot die Fahrt jenseits von Tabraq wagen. Ich werde versuchen, von dort zu reiten. Ich kenne die Wege – auch nachts.«
Tsuniro legte die Hand an die Wölbung ihres Bauchs. »Ich kann nicht mehr reiten«, sagte sie leise. »Aber muß es denn sein,
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